Wer auf Carsten Markgraf trifft, lernt einen Mann kennen, der glücklich und zufrieden ist und mit großer Begeisterung über seine Arbeit an der Hochschule spricht. Und diese Begeisterung hatte er bereits als Kind: „Mich hat schon immer Mobilität jeder Art fasziniert, zum Beispiel Flugzeuge. Dass solche schweren Objekte überhaupt durch die Luft fliegen können und dass Menschen durch sie innerhalb kürzester Zeit riesige Strecken überwinden können. Wenn man sich überlegt, dass man in einem Tag auf die andere Seite der Welt, nach Australien fliegen kann. Vor allem die Technik – das, was dahintersteckt, – hat mich immer stark interessiert.“
Mit großer Begeisterung geht Markgraf dann in den neunziger Jahren auch an sein Elektrotechnik-Studium in Hannover heran. 1997 beginnt er dort mit der Promotion. Sein Thema: Die Automatisierung eines Testgeländes für Autos im Norden von Wolfsburg. Dort wurden auf einer Länge von zwei Kilometern Magnetnägel in die Straße eingelassen, um Autos mit mithilfe eines Magnetfeldsensors automatisch in der Spur halten zu können. Markgraf will sich danach aber nicht nur mit Forschung und Wissenschaft beschäftigen. Es zieht ihn in die freie Wirtschaft. Ab 2003 arbeitet er für ThyssenKrupp an aktiven Fahrwerkregelungen, später für ThyssenKrupp Presta in Liechtenstein an elektrischen Servolenkungen, die 2010 im BMW X3 erstmals in Serie gehen. Nach diesem Erfolg, will Carsten Markgraf sich wieder einer neuen Herausforderung widmen und kommt schließlich an die Hochschule nach Augsburg als Professor an der Fakultät für Elektrotechnik, wo er sich mit Regelungstechnik und Mechatronik beschäftigt.
Formula Student Electric
Fast zeitgleich wird an der Hochschule auch der Verein Starkstrom Augsburg gegründet. Hier bauen Studierende mit Unterstützung der Professoren der Hochschule Elektrorennfahrzeuge und beteiligen sich an Konstruktions- und Fahrwettbewerben der Formula Student in Konkurrenz mit Teams anderer Hochschulen aus der ganzen Welt. Größter Erfolg bisher: Platz 3 beim Beschleunigungsrennen des Driverless Fahrzeugs am Hockenheimring 2017 – und das unter erschwerten Bedingungen. „Ein Akku war kaputt. Wir mussten uns also mit dem Elektroauto und dem autonom fahrenden Renner einen Akku teilen, den also ständig umbauen. Man muss da ja auch vor dem Rennen durch die technischen Abnahmen durch und den Akku vorzeigen. Das war Stress“, erzählt Markgraf, trotzdem mit einem Lächeln im Gesicht. In den Wochen vor einem Rennen geht es immer sehr turbulent zu in der Halle von Starkstrom Augsburg im Sigma Techno Park in Augsburg. „Da werden Nächte durchgemacht, letzte Fehler beseitigt. Es muss ja alles termingerecht fertig werden. Und ein Erfolg beim Rennen ist dann immer eine große Befreiung nach dieser Anstrengung“, sagt Markgraf zufrieden.
Neben den Formula Student-Rennfahrzeugen verfügt die Hochschule auch über ein weiteres Forschungsfahrzeug von BMW, das zum autonom fahrenden Auto umgebaut wird. „Der BMW ist gerade auf dem Stand, dass die Längs- und Querführung funktioniert. Er verfügt über eingebaute Kameras und einen zusätzlichen Laserscanner und besitzt somit die Basis für eine sehr gute Objekterkennung. Darüber hinaus ist auch ein Radarsystem implementiert für einen Abstandstempomat“, erklärt Markgraf stolz. Mittels eines speziellen D-GNSS-Systems, ähnlich dem GPS, wird die Position des Fahrzeugs bis auf wenige Zentimeter bestimmt. Das alleine sei aber noch zu unzuverlässig, sagt Markgraf. Er setzt deswegen zusätzlich auf einen Algorithmus namens „SLAM“, eine Abkürzung für Synchronous Localization and Mapping. Hier geht es darum, auf Basis der Kamera- und Laser-Daten aufeinanderfolgende Bilder zu vergleichen und das Auto anhand der erkannten Objekte genauer zu positionieren – zentimetergenau. Die Versuchsfahrten mit dem autonomen BMW finden auf einem abgesperrten Testgelände statt. Dort lassen sich mit seinem studentischen Team die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen treffen.
Autonomes Fahren muss bezahlbar sein
Natürlich funktioniert nicht immer alles auf Anhieb, es muss immer ein wenig getüftelt werden, so Markgraf, aber Schritt für Schritt geht es immer weiter in die richtige Richtung. „Für mich ist es vor allem immer schön, dass das, was man sich theoretisch überlegt anhand von mathematischen Gleichungen und physikalischen Analysen, auch so eintritt, wie man es vorhergesagt hat. Das ist ein tolles Gefühl“, freut sich Markgraf.
In einem autonomen Fahrzeug fallen enorm große Datenmengen an. Schließlich muss der komplette Mensch ersetzt werden, das System muss wie der Fahrer die entsprechenden Situationen wahrnehmen und richtig reagieren. Mit einer speziellen Software werden die wesentlichen Daten aus dieser unwahrscheinlichen Datenflut − erzeugt von Sensoren, Kameras, Laser und Radar − herausgefiltert. Eine der größten Herausforderungen: „So ein autonomes Fahrzeug darf trotz der ganzen Technik nicht unerschwinglich werden, es muss bezahlbar sein“, sagt Markgraf.
Weniger Unfälle und mehr Mobilität für alle
Carsten Markgraf treiben die vielen Vorteile an, die automatisierte Fahrzeuge mit sich bringen. An erster Stelle steht dabei die Reduzierung der Verkehrsunfälle, aber er hat noch ganz andere Gründe, warum er sich auf diesem Gebiet engagiert: „Die Menschen verbringen viel Zeit hinter dem Steuer. Oft im Stau oder im zähfließenden Verkehr. Ich will diese Zeit nutzbar machen. Wenn sie nicht selber fahren müssen, kann das Auto quasi als Büro oder als Wohnzimmer genutzt werden. Die Menschen können sich sinnvollen Dingen widmen. Ein Auto soll uns also auch Zeit schenken können. Darüber hinaus sind ja auch viele Menschen von dieser Form der Mobilität ausgeschlossen, zum Beispiel junge Menschen, behinderte Menschen oder auch viele alte Menschen. Ihnen will ich diese Mobilität ermöglichen.“
„Wir können unseren Studenten sehr viel bieten“
Die Hochschule ist für Markgraf ein ausgezeichneter Experimentierplatz: „Wir haben großes Glück hier an der Hochschule, dass wir so gut ausgestattet sind und uns viele Firmen aus der Region unterstützen. Wir können unseren Studentinnen und Studenten sehr viel bieten.“ Vor allem will er ihnen wichtige Kompetenzen und Fertigkeiten für ihren späteren Einsatz in der Wirtschaft an die Hand geben, aber auch zur Verantwortung mahnen: „In anderen Ländern zum Beispiel sind die Leute oft sehr schnell dabei, die Dinge auf die Straße zu bringen. Da gibt es einen Mentalitätsunterschied. Wir sollten das weiterhin mit Bedacht und Vernunft angehen. Das versuche ich auch meinen Studierenden zu vermitteln. Lieber noch einmal mehr testen und die notwendige Reife erzielen, bevor es gefährlich werden könnte.“