BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Clemens Brentano

1778 - 1842

 

Gedichte 1804 - 1815

 

1809

28. Februar: Flucht nach München nach

Auseinandersetzungen mit Auguste.

25. März: Auguste willigt in eine Trennung

ein und verläßt die Wohnung in Landshut.

31. Juli bis September: Reise zu Arnim nach Berlin.

8. August: Besuch bei Goethe in Jena.

 

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An einen atheistischen Musikus

 

Ach bin ein armer blinder Sänger

Ich seh mit hellen Augen nichts

Je mehr ich sehe, desto bänger

Entbehre ich des innern Lichts.

 

Ach wenn die Strahlen doch wollten erklingen

Daß statt zu malen ich alles könnt singen

O wie wollt ich euch reden so klug

So klug, so klug, und warlich auch rührend genug,

 

Gott weiß, wie mir es ist zu Mute,

Ich habe allerlei gehört

Das Unvernünftige und Gute

Schwatz ich so wieder ungestört

 

Ach wenn Gedanken doch wären Akkorde

Daß ich in Schranken könnt bringen die Worte

O wie wollt ich euch reden so schön

So schön, so schön, ihr solltet mein Lachen und Weinen verstehn

 

Ein Spielmann führt ein elend Leben,

Meist steht er in der Narren sollt,

Und manch . . .

An dem vermaledeiten Gold

 

Ach wenn die Narren doch mehr harmonierten

Daß ihre Sparren nicht so dissonierten

O wie wollt ich urteilen so tief

So tief, so tief, jetzt geht es freilich schief.

 

Ich habe mir längst ausgelesen,

Weil ich sehr aufgekläret bin

Statt Gott etwa ein höhres Wesen,

So hoch schier als den Aretin

 

Man sagt, ich sei in Kunstkritiken

Unschuldig wie ein Lämmerschwanz,

Und doch ist fast von bunten Flicken

Ein einzig tüchtig Urteil ganz

 

Vom Mozart bin ich ganz besessen,

Die andern sind mir zu gering,

Darüber könnt ich schier vergessen

Daß andern es mit mir so ging

 

Das erste Glück ist ohne Zweifel

Wenn eine Oper reüssiert,

Wie gerne führe ich nicht Teufel

Wenn nur die Hölle applaudiert.

 

Ich gehe immer aller Orten

Mit Ausgezeichneten nur um,

Und war ich dies nicht inne worden

Krieg meinen Geist ich nicht mehr krumm

 

Vor allem liebe ich die Größten

Wenn sie vertraut mit Knastlern sind

Von Hurerei und von Franzosen

Spricht sichs mit ihnen sehr gelind.

 

Sie müssen eines mir erlauben

Ich habe Religion fürs Haus

Noch fehlet mir nichts als (der) Glauben,

Den an mich selber nehm ich aus.

 

Ist alles das nicht zum Erbarmen

Und dazu Kopfweh noch mit Macht,

So weit hat es nun mit mir Armen

Die weltliche Musik gebracht.

 

Doch gibt es Leute, welche sagen

Der Kienlen hat ein braves Weib

. . .

 

Entstanden 1809 (Boëtius 1985)