Clemens Brentano
1778 - 1842
Gedichte 1834 - 1842
1835April: Überarbeitung des Märchens von «Fanferlieschen Schönefüßchen». Brentano-Portrait von Emilie Linder Jahresende: Beginn der Arbeit am großen Gockelmärchen.
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20. Jenner, nach grossem Leid
Ich darf wohl von den Sternen singen,Mich hat die Blume angeblickt,Und wird mein armes Lied gelingen,Dann wird vom Stern mir zugenickt.O Stern und Blume, Geist und Kleid,Lieb, Leid, und Zeit und Ewigkeit.
Im Garten stand die frühe Waise,Und senkt den Blick zum BlumenfeldDie Sonne sank im Purpurgleise,Die Sterne spannen aus ihr Zelt.O Stern und Blume, Geist und Kleid,Lieb, Leid, und Zeit und Ewigkeit.
Mit euch wohl wagt ein Kind zu sprechen,Ihr kennet mich und bin ich stumm,Weil mir das kranke Herz will brechen,Bringt ihr mich nicht mit Fragen um.O Stern und Blume, Geist und Kleid,Lieb, Leid, und Zeit und Ewigkeit.
Ihr lieben Blumen still und innigEin Tröpfchen Tau, ein Licht, ein Hauch,Ihr lieben Sterne klar und sinnigEin Strahl, ein Blick, ein Blitz, ein Aug'.O Stern und Blume, Geist und Kleid,Lieb, Leid, und Zeit und Ewigkeit.
Und wie die Sterne heller blinkenBeugt Schatten sich aufs BlumenfeldUnd auch des Kindes Augen sinken,Der Traum sie in den Armen hält.O Stern und Blume, Geist und Kleid,Lieb, Leid, und Zeit und Ewigkeit.
Ihr Engel steiget auf und niederBringt Sternenlust, bringt Blumenschmerz,Und küßt die unerschaffnen LiederUnd legt sie schlafen auf ihr Herz.O Stern und Blume, Geist und Kleid,Lieb, Leid, und Zeit und Ewigkeit.
Und wiegt die tauberauschte Rose,Im Dornenbettchen bald zur Ruh',Und schließt dem Veilchen in dem Moose,Die frommen Augen segnend zu.O Stern und Blume, Geist und Kleid,Lieb, Leid, und Zeit und Ewigkeit.
Die Blumen all, die farbig prangen,Sie waren bald nicht mehr zu sehn,Die Nacht nahm ihre Pracht gefangenNur eine Schar blieb betend stehn.O Stern und Blume, Geist und Kleid,Lieb, Leid, und Zeit und Ewigkeit.
Sieh dorten um die süße LindeSteht eine reine Lilienschar,Der Engel zeigte sie dem Kinde,Sie leuchteten ganz wunderbar.O Stern und Blume, Geist und Kleid,Lieb, Leid, und Zeit und Ewigkeit.
Der Engel sprach: mein Kind, o sehe,Die Lilie unter Dornen dort,Das Licht wird Fleisch, horch: «Es gescheheDer Magd des Herrn nach deinem Wort!»O Stern und Blume, Geist und Kleid,Lieb, Leid, und Zeit und Ewigkeit.
Die Lilie spinnt nicht, doch es webetAus ihr das Wort sich einen Leib,Zur Jungfrau ist das Licht geschwebet,Und Mutter Gottes ward das Weib.O Stern und Blume, Geist und Kleid,Lieb, Leid, und Zeit und Ewigkeit.
Und als der Geist sie überschattetDeckt rings die Nacht das Blumenfeld,Der Lilie nur das Licht sich gattetDas auf den Leuchter wird gestellt.O Stern und Blume, Geist und Kleid,Lieb, Leid, und Zeit und Ewigkeit.
Die Lilie, die nicht zieht nicht schweifet,Nicht fallen läßt und wieder suchtDie sehnend still zum Lichte greifet,Sie fand das Licht und trug die Frucht.O Stern und Blume, Geist und Kleid,Lieb, Leid, und Zeit und Ewigkeit.
So sprach der Engel zu dem KindeUnd führt es zu der Lilie Licht,Da kniet es nieder an der LindeUnd fand im Traum die Worte nicht.O Stern und Blume, Geist und Kleid,Lieb, Leid, und Zeit und Ewigkeit.
Da sprach zum Kind die reine Lilie,Die nie vorher gesprochen hat,Wach auf, wach auf zu mir Emilie,Sing mit mir das Magnificat.O Stern und Blume, Geist und Kleid,Lieb, Leid, und Zeit und Ewigkeit.
Ob sie es sang, ich kann's nicht sagenSie hat mich träumend angeblickt,Es hat ihr Herz bei mir geschlagen,Es hat ihr Haupt mir zugenickt.O Stern und Blume, Geist und Kleid,Lieb, Leid, und Zeit und Ewigkeit.
Das kalte Wissen war ermattet,Das milde Fühlen war erwacht,Die Blumen waren überschattetEmilie hat mich angelacht.O Stern und Blume, Geist und Kleid,Lieb, Leid, und Zeit und Ewigkeit.
Geh armes Lied und sag der LiebenEs hat ein Herz zum Tode krankMich unter Tränen aufgeschrieben,Und zagt, ich sei dir nicht zu Dank!O Stern und Blume, Geist und Kleid,Lieb, Leid, und Zeit und Ewigkeit.
Entstanden vermutlich 1835 (Kemp 1978)
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Weil meine Lieb' zum Grab gegangen,Und in den starren Blick gesehn,Und an dem stummen Mund gehangen,Muß neu mein Schmerz heut auferstehn.
Im Osten hat mir's trüb getagetDas freudige, das neue Licht;Die lange Nacht lag ich verzaget,Dein Abschiedswort verstand ich nicht.
Ein Wehelaut, du Herz der Güte,Zwei Augen, die mich angeschaut,Doch was drin flehte, was drin glühte,Das ward mir Armen nicht vertraut.
Du fühltest wie so krank ich scheide,Du edles, mitleidtrunknes Herz,Und gabst erbarmend zum GeleiteDen Ton, den Blick, den eignen Schmerz.
Den Blick sah ich wohl vor mir stehen,Die lange bang durchweinte Nacht,Bis ich durch deines Wehlauts FlehenAus schönem Schlummer früh erwacht.
Da ist dein Schmerz mich wecken kommen,Er legte mir aufs Herz die Hand,Und sprach, du krankes Herz willkommen,Weil heut der Heiland auferstand.
Willkomm, o Schmerz, so sprach ich wieder,Mein Herz ist schwer, das Grab ist leer,Und heiße Tränen sandt ich nieder,Daß Tau auch in dem Garten wär.
Du zeihtest mich, daß viele FreudenMit andern ich nicht teilen kann,So gib mir Leiden, Leiden, Leiden,So nimm mein Herz zum Mitleid an.
Die Tränen, die so stürzend fließen,Sind nicht auf Felsen aufgesät,Ich weiß, daß Blumen daraus sprießen,Und daß mein Lieben aufersteht.
Ja aufersteht mit allen WundenNach langen Qualen lichtverklärt,Wenn alles wieder ist verbunden,Was zu dem Leib des Herrn gehört.
Jetzt da ich hin zum Garten irre,Und in die Felsentale seh,Da sproßt mein Schmerz wie bittre Myrrhe,Da wird mein Herz wie Aloe.
Blind tapp ich an den FelsenwändenUnd streue auf dem Grabe aus,Den ich gepflückt von linden Händen,Den schmerzenvollen Blumenstrauß.
Komm mit, komm mit, schenk eine Träne,Den Ton, den Blick, zur Spezerei,Und grüße mit der MagdaleneDen Herrn durch einen Jubelschrei.
Alleluja!
Entstanden vermutlich Ostern 1835 (Schultz 1995)
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Am Ufer bin ich gangen,Sie schifften auf dem See,Mein Herz war voll Verlangen,Ich trug ein heimlich Weh;Ein Weh, ein Wohl zu seinSo ganz allein, allein, allein!
Ich hab hinaus getragenMein Herz, und der es liebt,Der muß zu Haus verzagen,Der ist zum Tod betrübt,Und hört die Turtel schreienSo ganz allein, allein, allein!
So ging ich wohl zwei Stunden,Und ob ich sein gedachtNur wenige Sekunden,Das hüll ich in die NachtDes stummen Herzens einSo ganz allein, allein, allein!
Es stürmt, der See schlägt Wellen,Unheimlich saust der Wind,Nie will ich mich gesellen,Ich wirres, irres Kind,Dem, der mich liebt mit PeinSo ganz allein, allein, allein!
Und sollt er auch erblindenIn seiner Tränen Flut,Nie will ich mich verbinden,Dem ich am Herz geruht;Stirbt er, grabt mir ihn einSo ganz allein, allein, allein!
Schon zittern ihm die SchmerzenUm das gebrochne HerzGleich stillen Totenkerzen;Ich laß ihn, reißt der SchmerzIhm gleich durch Mark und Bein,So ganz allein, allein, allein!
Es war sein ganzes LebenIm bittern Weh verglüht,Da hab ich ihn umgeben,Da ist er neu erblüht;Mein ist er, ich nicht seinSo ganz allein, allein, allein!
Wohin, wohin mich wenden?Ich armes Waiselein,Von allen FelsenwändenHör ich das Echo schrein,Arm Kind, o du mußt seinSo ganz allein, allein, allein!
Die Wellen sind Gesellen,Die Vöglein zwei und zwei,In Ufern gehn die Quellen,Sein Echo hat mein Schrei,Und ruft vom FelsensteinSo ganz allein, allein, allein!
Viel bin ich umgezogen,Hab redlich angeblickt,War liebevoll gewogen,Hab freundlich zugenickt!Die Wahrheit ließ der ScheinSo ganz allein, allein, allein!
Und wem ich bot zu trinken,Der ward so schwer berauscht,Er ließ den Becher sinken,Und hat ihn leicht vertauscht,Den Zauberbecher meinSo ganz allein, allein, allein!
Du einsam Kreuz am Pfade!Scheu blicke ich hinan,O süßer Herr der GnadeBlick doch dein Schäflein an!Treib treuer Hirt mich einBald ganz allein, allein, allein!
Da spricht's: Tu keinem andern,Was dir nicht soll geschehn,Willst du nicht einsam wandern,So laß nicht einsam stehn,Laß nicht, willst du nicht seinSo ganz allein, allein, allein!
Will keiner mir begegnenAuf diesem öden Pfad,Soll ich die Welt gesegnen,Verlassen am Gestad?Da schallt ein Tritt – es nahtWer ist's? – sein will ich seinSo ganz allein, allein, allein!
Sag liebrer Wandrer, bist du's,So biete mir gut Zeit.«Gelobt sei Jesus Christus!»– In alle Ewigkeit.Ach ja, wenn es soll seinSo ganz allein, allein, allein!
In Trauer begonnen,In Reue vollendetZum Kreuz gewendetMit Tränen beronnen.
Entstanden vermutlich 1835 (Schultz 1995)
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Als ich nüchtern dich berauschet,Taub und schlafend dich belauschet,Stumm nach dir gelockt, gesungen,Lahm die Hand' nach dir gerungen,Blind nach dir mich umgeschautUnvertraulich dir vertrautSchreckte mich der Lichter FunkelnUnd der Töne Schall im Dunkeln,Denn die Fackeln und SchalmeienHört in stiller Nacht ich schreien:Ohne Opfer geht das süße Wunder,Gehn die armen Herzen alle unter.
Entstanden 1835 (Boëtius 1985)
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Bitte, bitte,Wenn du wüßtest,Was ich litte,Ach du küßtest,Meine Schritte,Durch die Hütte,Lerne, lerne –Sieh die SitteUnd die SterneLauschen draußen,Gar nicht ferne –Und wir hausenStill hier innen,Selig StilleKein Besinnen,Und kein Wille -Und wir spinnenEine HülleFür die armeNackte LiebeGott erbarme!Daß sie bliebeNicht so frierend –Nicht so rührend –
Entstanden Mitte der dreißiger Jahre (Boëtius 1985)
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Nie erzielet,Nie verspielet!Aufgeräumtes,Schwer durchträumtesLauf gezäumtesBlutgeschäumtesMutgebäumtesGlutgesäumtesSitzzuPferdchenBlitzgebärdchenSpitzgelehrtchenWitzbeschwertchenTreu Gefährtchen
Entstanden Mitte der dreißiger Jahre (Boëtius 1985)
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Dann spannt sies auf die WiesenIm Sonnenbrand,Mit Tränen ichs begießeBis sie es bleicher fand.
Dann hat sie es zerschnitten,Die grimme PeinMein Gott, was ich erlittenDas weißt nur du allein
Und hat mir angemessenEin TotenhemdUnd hat mich dann vergessen,Und Weh ich war ihr fremd.
Und ist zu mir gekommenIn Kerkers Nacht,Und hat mir Maß genommenund hat mich angelacht.
Da hab ich sie umfangen,Ans Herz gedrückt,Und alle Engel sangen,Doch sie hat stumm geblickt.
An sich wollt sie nur messenMein Totenhemd. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dann hat sie es genähet,So Stich vor Stich –Und alle Stiche, sehet,Durchbohren blutig mich.
Denn was sie leidet, tuet,Erleide ich,Nur wenn sie schlafend ruhetDa wein und wache ich
Dort seht sie bei der Linde,Ach Gott erbarm!Mein Totenhemd im WindeWeht weiß von ihrem Arm.
O Jammerzug halt stille,An diesem Ort,Des Armen letzter Wille,Ist auch ein heilig Wort.
Süß Lieb schwarzlaubge Linde,Nun hör mich anDu Herz so hart, so lindeNun schau mein Elend an.
Das Weib so hingegeben,Und so erstarrtDu heiß ergoßnes LebenDu glühend Eis, so hart.
Das Herz so ganz vermauert,Du stummer Mund,Du Blick, der starrend lauert,Du Hand in Hand ohn Bund.
Du Seel in Dichter HülleDu Schulter blank,Du Hungers ÜberfülleDu Leib so schlank und krank
Du fast erstarrtes Hüpfen,Du flammend EisDu schnellerstarrtes ZückenDu Wünschelrutenreis –
Du Stunden Schwindelspule,Die stets den Faden suchtDu in der Lehrer SchuleVerblühend ohne Frucht.
Streng rechnende VerschwendungDu WechseltreuUmarmende AbwendungVerwundung ewig neu.
Du bettelarme FülleDu trunkne NüchternheitDu mutternackte HülleTollkühner Schüchternheit
Du plauderhaftes SchweigenDu Rätsel, offenbar,Noch dir, noch andern eigen –Noch Opfer am Altar.
Du Mandelkern der LiebeDu bittre SüßigkeitDu Wandelstern der TriebeGeschäftger Müßigkeit.
Sprich starre Sturmeswelle,Wo ist mein golden VliesBewegte FelsenschwelleVor meinem Paradies?
Süß Lieb, schwarzlaubge LindeSie führen mich hinausStreu säusle in dem WindeNoch einge Blüten aus.
Blüh sinnendes GestirneIn finsterm WolkensaumUnd nimm mir von der StirneDen armen reichen Traum.
Den Traum, daß ich geboren,Durch dich zu sterben binUnd das was ich verlorenDurch dich allein gewinn.
Den Traum, den ewige WahrheitGeb Zeugnis in dem Leib,Es hab des Lichtes KlarheitVerkörpert sich im Weib.
Der Traum, der sei verfluchetDer deines Zaubers BannGefunden, ungesuchetUnd ihn verlassen kann.
Wahrlich bin ich wohl armseligArme Seele, o erbarmDir im Arm bin ich so seligAls die in der Seele arm.
Und als ich so gesprochenWard ihre Lippe stummEs blei . . . . . . . . gebrochenDa dreht ihr Haupt sich um
Zog zuckend mit den HändenDen Pfeil aus ihrem Haar,Ich glaubt, sie wollte endenUnd bot mein Herz ihr dar.
Da hängt sie hoch im BaumeDen Pfeil wohl an ein Haar,Aus meines Himmels RäumeSchwebt ewig die Gefahr.
Entstanden Mitte der dreißiger Jahre (Boëtius 1985)
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Traurig aus den Paradiesendeiner Nähe ausgeschlossen,fühlt ich mich dahin gewiesen,wo auch du einst bist entsprossen,dich du süße zu erreichen,mußt(e) ich durch die Geschichteklimmen, klettern, schleichen,steigen, bis zum heiligen Gedichte,und ich kam zum Paradiese,alles war da still verlassen,ging durch manche Blumenwiese,und durch viele Blütengassen,sang, süß Lieb, schwarzlaub'ge Linde!Dacht' auch hier ist mehr kein Frieden,der ist bei dem lieben Kindeauf der Erde dort hinieden.Aber wo sind all die Tiere,sieh da hörte ich (ein) Brausenund nun naht ich dem Reviere,o welch wunderbares Sausen,auf dem Kreise hoher Palmen,wiegten sich der Vögel Scharen,sangen hoch entzückte Psalmen,o der süßen wunderklaren,hohen, tiefen Jubelsstimmen,wie sie eins und tausendfaltigauf und ab sie selig klimmen,wie so leise und gewaltig,sie sich wiegen, und verschlingen,Ett *), ich laß dir alle Ehre,aber so kannst du nicht singen,wärst in diesem Wohllautsmeere,einen Karpfen kaum ersetzen,dem Arion mit der Leierauf den Buckel wollte setzen,singend seiner Rettung Feier.Unten an dem Fuß der Zedern,war ein anderes Gedränge,oben sang das Volk der Federn,unten die vierfüßge Menge,von dem Löwen bis zum Mäusleinsangen sie in Wechselchören,machten auch kein falsches Päuslein,schlugen Takt mit Schweif und Pfoten,da ich wollt verwundert fragen,ei wo sind nur ihre Noten,fühlte ich mein Herz so schlagen,und süß Lieb, schwarzlaub'ge Linde,sang ich fort, sie sangens alle,sangen all vom Eulenkinde,wie es fern auf Erden walle,wie ein Eichhorn flink und putzig,wie ein Kind bald laut, bald stille,wie die Eule finster, trutzig,und so klug wie die Sibylle,sangen, sehnend, dehnend, h(ü)pfend,sangen traurig, sangen heiter,wiegend, schmiegend und entschlüpfend,wieder knüpfend und so weiter.Aber mitten zu dem Raume,meine Blicke sehnend wanden,sah ich bei bei dem Ebenbaume,zitternd stehn den Elephanten,und den Stamm umschlingt sein Rüssel,reißt und biegt ihn hin und wieder,und dies war der Tonart Schlüssel,war der Geist all dieser Lieder.Und des Elephanten Zähne,lodern bald wie lichte Flamme,die aus innrer Glut entbrannten,zu dem dunklen Ebenstamme,bald sie ihm mit süßem Streicheln,daß er sprühet rote Funken,nahn, als wollten sie ihm schmeicheln,beide schienen Wonne trunken,doch ich hab sie gleich verstanden,nahte mich dem Ebenbaume,nahte mich dem Elephantenund half beiden aus dem Traume,kaum er faßt mir meine Rechte,faßt den Zahn des Elephanten,kaum ich meine Linke flechte,um den Stamm, sie Frieden fandenund in Mitten meines Herzens,war der Kampf, ein Feuer flüchtigzog durch mich mit süßen Schmerzen,ach ich war so eifersüchtig,Elfenbein das sie berühretmit den kleinen süßen Fingernmich bis in den Ursprung rühret,und das mit den kleinen Dingern,mit den Füßen sie betrappelt,Ebenholz mich heiß durchzappelt,und ich sang ihr Paradiese,gebt ein Zeugnis dieser Süßen,Süß allein allein ist diese,recht vom Kopf bis zu den Füßen,und es sangen alle vom süßen EulenkindeO süß Lieb, schwarzlaub'ge Linde!
Entstanden Mitte der dreißiger Jahre (Boëtius 1985) ___________
Der Münchener Hoforganist Caspar Ett, der bei Emilie Linder musikalische Soireen veranstaltete.
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Wiedergekehrt zu[r] Stellen zwischen den Gärten,War ich ermüdet und krank und die Muse stützte mich nicht –Kein Spiel war in den Gärten, aber Verwüstung strömteAuf reißenden Wogen umher, Wehklagen und FlutenAus Wolken und Abgrund fielen und stiegen die WasserUnd füllten die sichere Ebne mit Same des Jammers,Spiegel der Not, ein Meer die Wiese, das ÄhrenfeldWallend von Wogen, wie von Halmen sonst,Der Eilwagen schwimmet, und Estafetten hangen auf BäumenWie Korallenzweige, blasend Tritonen gleich, Fahr auf der Post.Wie Masten gestrandeter Schiffe ragen die Türme,Notfeuer tragend, Kähne durchirren schüchternWie ernste Schiffer unbefahrene Fluten.Der Stier schwimmet tragend die jammernde HirtinEiner Europa gleich, doch nicht zur Liebe entführt,Und das weggeflutete Schwein möchte Arion gern tragenKönnte Delphi es nur sein, bis Sumpf diese Flut wird.Sie dort springt von dem wankenden Bau ein Mann,Wie Arion, weggestoßen vom Bord, kein Mitleid verfolgt ihnHebt seine Leier er hoch. Horch! Singt er – nein der Mauthner istsDen Tarif streckt er empor und möchte sich rettenAuf den grunzenden Sack, der schwimmend die Linie passiertAlles versöhnt sich, wie in Tränen der Zorn sich linderndLiebe wird, löset das Wasser vieles Geschiedene auf,Schlaff wird die Zollinie, sie schwimmet, war sie ein Damm dochDem Wasser jetzt, wie nur dem Wein, war sie ein Zaun doch der NotWie sonst dem Brot. Ach ist dann zu Wasser gewordenAlles verheißene Wohl des Landes –Schweig! Freund!Denke der Sündflut, anders steuert, der Not,Der die Flut in der Hand trägt, als der FolterndeArzt mit der Brille die Tropfen fallen läßt der GenesungAuf die Zirbeldrüse des Kranken, er ihn angrinst,Anders steuert, der die Arche steuerte, als die ErfinderDer argen Besteurung, nicht trennt er und bindet,Allen gemeinsames Weh sendend verhöhnet er alle,Und möchten sehr viele lieber Aale jetzt seinZu schwimmen, und lieber alle, ringend mit FlutenDer ungebundnen Zerstörung, der sie die Dämme durchstochenFlüchteten gern mit sehr vielen in die Höhen des Beherrschers.Aber anders hilft Gott, die Fluten halten Wage –Und mit den Wogen des Wehs steigen die Wogen des Mitleids,Die Klage, das Flehen
Entstanden Mitte der dreißiger Jahre (Boëtius 1985)
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EulenkindFräulen LindEingeschnecktZugedecktGanz verstecktAusgeheckt.SchwarzgelocktLeicht gesocktHeiß geminntGleich gesinntLeicht zu PferdReich gelehrtSchmetterlingZauberringWunderdingBunt verbrieftUnd vertieftSchwalbenzug,Halber klug. –
Entstanden Mitte der dreißiger Jahre (Boëtius 1985)
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Du verstecktes2 Zugedecktes3 Eingeschnecktes4 Ausgehecktes5 Schwarzgelocktes6 Leichtgesocktes7 Heiß geminntes8 Weis gesinntes9 Leis, geschwindes10 Spiel des Windes11 Sehend blindes12 Fein geschnürtes13 Bein geziertes14 Heiß ersehntes15 Leis versöhntes16 Gold verwöhntes17 Hold verschöntes18 Huld gekröntes19 Viel geprüftes20 Nur (?) verbrieftes30 Und vertieftes31 Nie verschieftes32 All geliebtes33 Mir betrübtes34 Und geübtes35 Viel gereistes36 Mehl gespeistes37 Seel umkreistes38 Nie erzieltes39 Nie verspieltes40 Leicht gezäumtes41 Aufgeräumtes42 Mut gebäumtes43 Blut durchschäumtes44 Glut gesäumtes45 Leicht zu Pferdchen46 Tiefgelehrtchen47 Huldgebärdchen48 Treugefährtchen50 Unversehrtchen51 Harfenistin52 Scharfe Christin53 Bunt Palettchen54 Schlüsselkettchen
Entstanden Mitte der dreißiger Jahre (Boëtius 1985)
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Die Wärme fragt den SchmetterlingWarum er sich so härmeWarum er so die Flügel hingUnd nicht sehr freudig schwärme,Der Schmetterling zur Wärme sprachWeil ich die Flamme liebeSie zieht mich an, ich zieh ihr nachGelegenheit macht Diebe –Die Flamme hat ein Röckchen anDas ist weit ausgeschnittenDa hab ich mir oft weh getanHab große Glut erlittenEs zog mich hin das süße LichtDas von den Schultern zücketDa ward ich übel zugericht'tUnd bin noch ganz verrücket.Ich habe mir die Flügel buntAm Nacken blank versengetAn mir ist gar nichts mehr gesundEs ist mein Tod verhänget.Die Wärme sprach, du armer WichtDie Flamme das nicht wußte –An so was denkt die Flamme nicht,Daß sie dich ärgern mußte –Warum hast du ihrs nicht gesagt,Sie hätt' sich gleich bedecket,Der Schmetterling sprach, oft geklagtHab ich's und nichts erzwecket,Sie flackerte stets lichterlohHeraus an allen EckenNur wo Glut war, war's nicht so –Da könnt sie sich verstecken.Und endlich war ichs gar gewöhnt,Fühlt mich heraus gefordert,Und finde sie jetzt gar verschöntJe mehr die Schulter lodert. –Die Wärme sprach, es kann nicht seinDie Flamme ist unschuldigSie weiß das Wort vom MühlensteinVom Ärgernis, das schuldig.Sie hat mich lieb, mir nur vertrau,Sie folgt mir ohn Verdrießen,Sie macht sich jetzt ein Röcklein grauDas sich am Hals wird schließen.
Da dankt der arme SchmetterlingUnd glaubt der Wärme treulichUnd als er zu der Flamme gingDa war's ihm gar erfreulichDaß sie das graue Zeug ihm zeigtUnd wie gefällt dirs? fragteDie Asche deckt die Flamme leichtEr zu der Lieben sagte.
(Und hat dem Wort der Wärme festUnwandelbar getrauetDas Röcklein, das sie machen läßtWird ohn Gefahr beschauet.Ich bin zu schlecht, ich wars nicht wert,Daß sie um mich es tueWenns nur der Wärme wird gewährt,Komm ich doch mehr zur Ruhe!S' tut freilich weh, mein Leben habIch um die Flamm gegeben.Sie tut drum keinen NadelstichIch muß in Ängsten schweben.Der Schmetterling glaubt sicherlichTät alle Blumen weckenUnd schwur: der Flamme Schulter sichMit grauer Asch' wird decken.)Und sieh, die Flamme sprach, mein FreundDie Wärme läßt dich grüßen,Sie hat es gut mit dir gemeint –Will dir dein Leid versüßenSie bittet mich: Kannst du auch nichtDen armen Schelmen liebenDen deine Glut vom SonnenlichtZur Flamme hat getriebenSo ist es doch nur kleine GunstDein Röcklein so zu schneiden,Daß er in deiner Reize BrunstNicht muß den Tod erleiden.Wenn er dies wen'ge nur begehrt,Der Alles dir gegeben,So sei die Laune ihm gewährt,Für sein mühselig Leben.So und dergleichen andres vielDie Flamme ihm erzählteEr glaubte freudig sich am ZielWeil sie dies nicht verhehlte.Der Schmetterling traut sicherlichTät alle Blumen weckenUnd schwur, mit Asche werde sichDer Flamme Schulter decken.Und nichts hat er geglaubt so fest,Und hat sich drauf verschworenDem Nord, dem Süd', dem Ost, dem WestDie spitzten all die OhrenUnd trauerten, solln wir nicht mehrDer Flamme Schulter küssenUnd auf der grauen Asche schwer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . büßen.Kommt Zeit, kommt Rat, wir kennen auchDer Flamme flüchtig WesenDie Asche ist wohl gar dem RauchNur so ein Traum gewesen,Wir dürfen unsern TummelplatzEin wenig an nur kühlenWeht Asche fort, und überm SchatzWird neu die Flamme spielen.
Der Schmetterling war unverzagtSich alles Heils gewärtigUnd als er einst die Flamme fragtIsts graue Kleid bald fertigSprach sie, ich hab es ja schon an,Kannst du's denn nicht erkennen,Der Schmetterling der flog heranUnd seine Flügel brennen –Es war der Flamme Röckchen weitWie früher ausgeschnittenAm Herzen still hat großes LeidDer Schmetterling erlitten.Die Flamme sprach, ich ließ den RandNicht höher auf mir rücken,Stirbt gleich ein andrer hier verbrannt,Will drum ich nicht ersticken.Ich laß mir einen Spenzer nochFür einen Notfall machen,So hielte ich mein Wörtchen dochGott helfe allen Schwachen!
Der Schmetterling, ohn Hoffnung langVerlor nun ganz den Glauben,Doch wird ihm selbst sein UntergangNiemals die Liebe rauben,Denn muß die Flamme von NaturBedecket gleich erstickenSo kann der Schmetterling auch nurHin in die Flamme zücken.Die Flügel sind ihm schon verbrannt,Bald wird den Tod er findenUnd mit ihm wird was er empfandVerwehn in allen Winden.O Schmetterling, flieh Flamm und RauchO schweb doch in die Sonne,Da ist die liebe Wärme auch,Da ist viel Licht und Wonne.O Flamme, die so hell du scheinst,So fein, so fein gesponnen,Auch du kommst noch als Asche einstVerglühet an die Sonnen.Um deine Asche ewig wirdSich seine Asche drehenUnd immer (?) wird der treue HirtAuf dürre Weide säen.Und wird die dürre Weide gutZum dichten Blumenrasen,O mögen dann in treuer HutDie Lämmer drüber grasen.Mir träumt, es naht ein treuer HirtZu sammeln seine Schafe,Der Engel Gruß bald wecken wirdDie Hirten aus dem Schlafe –Gott in der Höh sei Ehr und Preis,Und Friede soll erfüllenDie Menschen auf dem ErdenkreisSo sie von gutem Willen.
Entstanden Mitte der dreißiger Jahre (Boëtius 1985)
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Blätter die ein hold VertrauenAn mein krankes Herz gelegtLaßt mit Tränen euch betauenDenn der Schmerz, der euch bewegt,Hat das Liebchen meiner SchmerzenEinst im Liebesleid gehegt,Sei willkommen meinem HerzenSchmerz, den liebend sie gepflegt.Wohl ist es ein tiefes LeidenSo ein armes Kind zu sehnWie es irrt auf wilden WeidenSich ein Hälmchen zu erspähnWie es im Vorüberschreiten,An dem Dorn sein goldnes Vlies,Vögeln Nestchen zu bereitenHin und wieder hangen ließ.Daß zerrupft an allen SeitenEs gar manche Blöße wiesUnd wohl tiefe arge WundenIn das liebe Herz sich stieß.Und kein Heilkraut doch gefunden,Wie man dies und jens auch priesDran es möchte neu gesundenSag, ist eine Liebe diesMit dem Wahne traumverbundenDem verlornen ParadiesDas im Innern ist verschwundenAuf der Sandflut hartem KiesLeid und liebvoll nach zu runden.
Entstanden Mitte der dreißiger Jahre (Boëtius 1985)
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Unter einem FeigenbaumeAuf dem Eselssattel lehnend,Dich an ein . . . . . . . . . SaumeSah ich ganz allein sich wähnend,
Zweie klug und schwarz wie Raben,Einen Bettler und sein MädchenBeide gleich einander habenSie am Fädchen, er am Drähtchen.
Während sie den Knaben lausetFängt dem Mädchen er die Flöhe,Wie ein Kätzchen, das gut mausetEr ein Falke auf der Spähe.
Sie guckt starrend weg zur Ferne,Fühlt und faßt doch was sie suchet,Er guckt harrend in die SterneIhrer Augen und versuchet
Von dem Glanze einer FeigeDie ihr auf dem SchlüsselbeineRuht, gefallen von dem Zweige,Küßt die Schulter er, die Reine,
Und ihr Stechblick, der in ZüchtenStarret, gleicht der Wespe Pfeilen,Die nach süßgereiften FrüchtenIn des Nachbarn Garten eilen
Und des klugen Mundes LippeSchwillt, und wie die WelleDie zunächst die heiße KlippeKüßt mit ihrer lauen Welle.
Er gesteht, was beide wissenSie verschweigt, was beide fühlen,Daß er küßt, was sie läßt küssenUnd das Wasser dreht die Mühlen.
Endlich spricht die braune Schlange,Diese flinke Zitterhexe,Diese Hange und VerlangeDieses stumme Fühlgewächse:
Wahrlich, wahrlich, mich nimmt WunderWie wir sind so sehr verschieden,Deiner Seele feinsten ZunderStahl und Stein kannst aus du bieten,
Deine Fehler, deine SchwächenDeine Schulden, deine Leiden,Gießt du aus in reichen BächenAuf den Schaf- und Rinderweiden,
Das ist ein sich selbst zerreißen,Ach bedecket mich ihr BergeBrauchts bei dir einst nicht zu heißen,Denn es wissen jene Zwerge
Die in unterirdschen HöhlenDie geheimen Schätze hüten,Nichts garnichts erzählenGar von dir nichts auszubieten.
Gestern hört ich dich vor manchenMaultiertreibern und StudentenUnd vor Gretchen und vor HannchenAll dein Innres so umwenden,
Wie man eine Tasche fegt,Was, die eine Hand beschauetDie Zigeunrin ausgelegt,Hast du allen da vertrauet.
Wie du nur in Einem lebestImmer nur nach Einem blickest,Wie dich drücket was du hebest,Wie du was du hebst erdrückest.
Was ich immer muß versteckenMeiner Seele goldne VlieseHängest du an alle HeckenWie die Schafe auf der Wiese
Die sich drängen zu dem Borne,Von der Wolle stets das BesteHangen lassen an dem DorneVögel tragens dann zu Neste.
Drauf der Bursche, der die AugenNie von ihrem Mund gewendet:Kanns ins Nest dem Vogel taugenWohl so ist mir nichts verschwendet.
Ja verschieden sind wir beideIch bin männlich, du bist weiblichOffen sind in Lust und LeideIch so seelisch, als du leiblich.
Meine Seel ist unverschlossen,Vögel tragen draus zu Nest,Weil dein Leib ist ausgegossenSchnürst du gleich die Seele fest.
Wahrlich mich nahm wunderWie wir sind so schön verschiedenWie du deines Leibes ZunderFleisch und Bein so kühn kannst bieten,
Deine Schultern, deinen Nacken,Deine Füllen, deine Schwächen,Deine Wogen, deine HackenGießt du aus bei allen Zechen
Allen stets zur AugenweideHört dein Leib nicht auf zu plaudern,Meine Seele, was sie leideKann nicht auszusprechen zaudern
Wie dein Leib nur immer locketSieh so locket meine SeeleWie dein Seelchen ist verstocketDaß es Seel und Leib mir schmähle,
Zeig ich meiner Seele LastenZeigst du deines Leibes NackenTrunken machst du um zu fastenUnd packst aus um einzusacken.
Während er so spricht, da runzeltIhre Seele ernst die StirneWährend so so zürnt, da schmunzeltSüßer Mund der braunen Dirne.
Ach wie oft sah ich, wie jederKüster, Meister und StudenteHinz und Kunz und Paul und Peter,Sich an deinem Leib entbrennte,
Wie dich Gottes Hand gebauetHast du stets zu Tag gelegtHast der Welt du anvertrauet. . .
Entstanden Mitte der dreißiger Jahre (Boëtius 1985)
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Singet vor den KirchentürenMeine Seele in RomanzenUnd dein Leib läßt auf dem TiereSeine Lust die Stadt durchtanzen
Läßt mein Leib die FeuerseeleRuhig wie Vesuve fühlenTreibt zum Meer dich deine SeeleDeinen Feuerleib zu kühlen
Wie sich meine Seele rüstet,Und gelüstet nach der LiebeSo dein Leib sich offen brüstetUnd gelüstet nach dem Triebe,
Meine Seele kann nur liebenUnd mein Leib liebt nur gezwungenUnd dein Leib, er liegt den TriebenMit der Seele abgerungen.
Als ich deinen Esel kämmte,Sah ich wie er voller (?) Blut,Weil der Sattelhammer (?) klemmte,Ihn gefärbt mit roter Flut,
Und ich hab es abgeweichetUnd getrocknet in ein Tuch,Der Zigeunrin es gereichnet,Die mir drauf die Karten schlug
Und sie sprach: gar viele Briefe,Schreibt sie, werden ihr geschriebenStellt sich oft, als ob sie schliefe,Läßt sich, ohn zu lieben, lieben.
Sie hat keine LeberfleckenMuttermale zu verbergen,Sie hat wenig zu versteckenHält sich selbst doch hinter Bergen.
Sie ist schwül wie ein Gewitter,Fächelt wie ein Sommerlüftchen,Lächelt süß und blicket bitter,Hüpft das Herz ihr überm Hüftchen.
Sie kann selber ein sich schnüren,Selbst der Locken Schlingen legen,Selbst sich vor den andern zierenDoch allein des Anstands wegen
Weil ihr Leib sich überwichtigMachet, läßt den Kopf sie füllen,Wird das Gleichgewicht einst richtig,Wird die Seel sich auch enthüllen.
Bis dahin darf sie nur nickenDarf nur schütteln mit dem KöpfchenStumm nur in die Flamme blickenUmfiel leicht sonst das Geschöpfchen.
Daß die zarte wilde RebeNicht erliege ihrer TraubeDaß die Taube ruhig schwebe,Weint die Rebe, lacht die Taube,
Sie ist viel herumgezogenMit den Grazien und MusenUnbestimmter Sehnsucht WogenPlätschern in dem Kinderbusen.
Fetter ist sie sonst gewesenUnd die Augen waren kleiner,Doch das späte Zeitung lesenZehrt am Fleisch und zeigt die Beiner.
Alle Abend ißt sie Pflaumen,Einen Auflauf auch von MehleDaß den Auflauf unterm DaumenIhres Leibes hält die Seele.
Und mit gutem AppetitePflegt sie ziemlich zuzuspeisen,Ob sie wohl aus Liebe bitte,Auch den Gast sie essen heiße.
Ungern läßt sie zu sich sehenWenn sie putzt die BackenzähneWenge zu Gebot ihr stehen,Niemand sah je, daß sie gähne.
Wo die Zitronen blühenFeurig schwillt die blaue TraubeWo die Goldorangen glühen,Dahin sehnet sich die Taube,
War sie je so schön gewesenWie das Läppchen ihrer Ohren,Fegten ihn aus viele BesenAlle Herzen, die verloren.
Denn sie ist wohl ein GemischeVon sich geben, von sich nehmenUnd von Fleische und von Fische,Machet wütend und kann zähmen.
Weil die Pferde LeidenschaftenIm prophetschen Traum bedeuten,Liebt im Sattel sie zu haften,Was sie zügelt, zuzureiten.
Vom prosaischen VerstandeBricht das Herz ihr Leib poetisch,Wie der ziegenhaargen TanteWürgt des Nichtchens Herz am Teetisch.
Entstanden Mitte der dreißiger Jahre (Boëtius 1985) |