BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Magdalena von Dobeneck

1808 - 1891

 

Briefe und Tagebuchblätter

aus Frankreich, Irland und Italien

 

1843

 

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In den Dörfern war Jeder mit der Weinlese beschäftigt; in Scheuer und Boden hieng zum Trocknen der goldgelbe Mais. Touvet ist allerliebst; beschirmt von hohen Felsenwänden, liegt es so sicher und friedlich da. Vor einer Thüre saß eine ergötzliche Gestalt, eine alte Frau, süß entschlummert mit der Spindel in der Hand. Die Bauart Grenobles befremdete mich: die Häuser, längs den Quais, sind sonderbar genug aufeinander geschichtet. Ein runder Thurm, eine Arcade in die Mauer gehauen, schienen mir römisches Alterthum. Die Straßen sind eng und schmutzig. Die Einwohner emsig. Vor jeder Thüre sieht man Frauen, theils mit Spinnen, Nähen, theils mit Handschuhmachen beschäftigt. Für das Paar erhalten sie zwei Sous, wirklich ein bescheidner Lohn. Grenoble ist der Geburtsort des Ritter Bayard [Frankreichs letzter Ritter].

 

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Der Staub war auch heute unerträglich; er verfinsterte mir Blick und Geist, so, daß ich weder sah noch dachte. In Tullius, wo wir zu Mittag aßen, begegnete ich einem Campagnarden; ein breit geränderter Hut bezeichnete mir ihn als solchen. Nachdenklich blieb er stehen, und indem er mich ansah, versicherte er auf das treuherzigste, daß ich ihm wirklich gefalle. Darüber ich mich denn auch höchlich verwunderte. Als wir wegfuhren, fand er sich richtig am Wagen ein, und grüßte freundlich noch, mit der den Savoyern eigenthümlichen Lebendigkeit und Anmuth.

 

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Wir besuchten die Kirche in Romans. Am Portal zerstümmelte Statuen, und Säulen, welche blätterartig ausgehauen und von Löwen getragen, mich vermuthen ließen, daß sie von den Mauren erbaut seyen. Die Araber in Spanien zeichneten nämlich keine Menschen; sie hatten den seltsamen Glauben, daß Gott Jenseits die Seelen der todten Bilder von dem Künstler fordern würde, weshalb sie nur in Verzierungen, Arabesken genannt, verschlungen die Menschen, Thiere und Genien darstellten, oder in Grotesken sich aussprachen, indem sie Blumen und Laubwerk phantastisch verwebten. Sie waren gewis­senhafter als mancher moderne Künstler, der zwar Menschen der äußern Form nach darstellt, aber nur zu oft belebt durch eine thierische Seele.

In der Kirche selbst, seitwärts, kniete ein Franzis­kanermönch; seine beiden Hände waren fest gegen die Brust gepreßt, als wähne er so seine Wünsche in sich zurückzudrängen. In seiner ganzen Gestalt lag eine tiefe, ungeheuchelte Andacht, die mir Ehrfurcht einflößte. Hinter dem Altar hervor klangen die klaren Stimmen der Chorknaben, die ihre Gesänge einübten – gern wär' auch ich auf meine Knie niedergesunken.

 

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Wir übernachteten in Valence von den Römern einst Va­lentia genannt. Die Thätigkeit in dem südlichen Frank­reich ist einzig. Da wird al­lenthalben gehämmert, ge­schafft daß es eine Lust ist. In großen Kübeln trägt  man  den gekel­terten  Wein,  unzähliche  Karren,  Wagen  mit  Maul-

 

 


 

Grenoble

 

Romans

 

Pierre du Terrail, Chevalier de Bayard (um 1476 - 1524), Frankreichs letzter Ritter

 

Valence