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Ich besprach mich· gestern mit Miß C... über Dichtkunst überhaupt; sie theilte mir manches Schriftliche mit, und ich ihr folgendes Gedicht, das vor mehreren Jahren einmal mir aus der Seele in die Feder geflossen.
Jesus der Hirt.
Psalm 23.
Wo find ich Seelenweide
Und Wahrheit für den Wahn,
Der flüchtiger als heute,
Mich nicht erquicken kann?
Der stärkste Stab kann brechen,
Der liebste Freund mich fliehn,
Und läßt mir nicht ein Zeichen –
Das, Welt, ist dein Gewinn!
Doch süße, gleich der Flöte,
Ruft mich ein süßer Ton:
"Blick in die Morgenröthe
Hinauf zu Gottes Thron.
Er hat mich hergesendet,
Der Vater gibt mich dir,
Und wer zu mir sich wendet
Hat Frieden dort und hier!
Vom irdischen Vergehen
Führ' ich zum ew'gen Blüh'n,
Die grünen Palmen wehen
an ew'ger Sonne Glüh'n
Und führt durchs Thal der Schrecken
Noch einmal deine Bahn –
Zum Lichte wird dich wecken
Der Hirt, Er ging voran.
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Aus tiefen Finsternissen
Führ' ich zur grünen Au,
Wo meine Worte fließen
Gleich mildem Frühlingsthau.
Da tränk' ich dürre Herzen
Am Born der Seligkeit,
Geb' Ruh für bittre Schmerzen
Und Lust für alles Leid.
Er ruft mich nicht vergebens
Hinan zu seiner Au!
Zum Bach des frischen Lebens
Wo ich den Hirten schau.
Wer möcht' zu ihm nicht gehen?
Nicht freudig fürder ziehn?
Nach irdischemVergehen
Schau ich dort ew'ges Blüh'n.
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