Johann Peter Hebel
1760 - 1826
Allemannische GedichteFür Freunde ländlicher Natur und Sitten
1803
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Gespenst an der Kanderer Straße.
's git Gspenster, sel isch us und isch verbey!Gang nummen in der Nacht vo Chander hei',und bring e Ruusch! De triffsch e Plätzli a,und dört verirrsch. I setz e Büeßli dra.
Vor Ziten isch nit wit vo sellem Platze Hüsli gsi; e Frau, e Chind, e Chatzhen g'otmet drinn; der Ma het vorem Zeltsi Lebe g'lo im Heltelinger Feld.
Und wo sie hört: «Di Ma lit unterm Sand»se het me gmeint, sie stoß der Chopf an d' Wand;doch holt sie d' Pappe no vom Füür und blost,und gits im Chind, und seit: «Du bisch mi Trost!»
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[99] | Und 's wärs au gsi. Doch schlicht e mol mi Chindzur Thüren us, und d' Muetter sizt und spinnt,und meint, 's seig in der Chuchi, rüeft und goht,und sieht no iust, wie's uffem Fußweg stoht.
Und drüber lauft e Ma, voll Wi und Brenz,vo Chander her ans Chind und überrennt's,und bis sie 'm helfe will, sen ischs scho hi,und rüehrt si nit – e flösche Bueb ischs gsi.
Jez rüstet sie ne Grab im tiefe Wald,und deckt ihr Chind, und seit: «I folg der bald!»Sie sezt si nieder, hütet's Grab und wacht,und endli stirbt sie in der nünte Nacht.
Und so verwest der Lib in Luft und Wind;doch sizt der Geist no dört, und hüetet's Chind,und hütigs Tags, de Trunkene zum Tort,goht d' Chandrer Stroß verbey an selbem Ort.
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[100] | Und schwankt vo Chander her e trunkene Ma,se siehts der Geist si'm Gang vo witem a,und führt en abwärts; seig er, wer er sey,er loßt en um kei Pris am Grab verbey.
Er chunnt vom Weg, er trümmlet hüst und hott,z'lezt seit er: «Bini echterst, woni sott?»Und luegt und lost, und mauet öbbe d' Chatz,se meint er, 's chreih e Guhl an sellem Platz.
Er goht druf dar, und über Steg und Bruckse maut sie'm eben all'wil witer z'ruck;und wenn er meint, er seig iez bald dehei,so stoht er wieder vor der Weserey.
Doch, wandle selli Stroß her nüchteri Lüt,se seit der Geist: «Ihr thüent mi'm Büebli nüt!»Er rührt si nit, er loßt sie ordelipassieren ihres Wegs. Verstöhndter mi? |