Johann Peter Hebel
1760 - 1826
Allemannische GedichteFür Freunde ländlicher Natur und Sitten
1803
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[166] |
Der Wächter in der Mitternacht.
«Loset, was i euch will sage!D'Glocke het Zwölfi gschlage.»
Wie still isch alles! Wie verborgen isch,was Lebe heißt, im Schoß der Mitternachtuf Stroß und Feld! Es tönt kei Mensche-Tritt;es fahrt kei Wagen us der Ferni her;kei Husthür gahret, und kei Othem schnuft,und nit emol e Möhnli rüeft im Bach.'s lit alles hinterm Umhang iez und schloft,und öb mit liichtem Fuß und stillem Tritte Geist vorüber wandlet, weißi nit.
Doch was i sag, ruuscht nit der Tiich? Er schießt |
[167] | im Leerlauf ab am müede Mühli-Rad;und näume schliicht der Iltis unterm Dachde Tremle no, und lueg, do obe ziehtvom Chilchthurn her en Uehl im stille Flugdur d' Mitternacht, und hangt denn nit im Gwülchdie großi Nacht-Laterne dört, der Mond?Still hangt si dört, und d' Sterne flimmere,wie wemmen in der dunkle Rege-Nacht,vom wite Gang ermattet, uf der Stroßan d' Heimeth chunnt, no keini Dächer siehtund numme do und dört e fründli Liecht.
Wie wirds mer doch uf eimol so kurios?wie wirds mer doch so weich um Brust und Herz?As wenni briegge möcht, weiß nit worum?as wenni 's Heimweh hätt, weiß nit – no was?
«Loset, was i euch will sage!D'Glocke het zwölfi gschlage. |
[168] | Und ischs so schwarz und finster do,se schine d' Sternli no so froh:und us der Heimeth chunnt der Schi';'s muß lieblig in der Heimeth sy!»
Was willi? Willi übere Chilchhof gohins Unterdorf? Es isch mer d' Thür seig off,as wenn die Todten in der Mitternachtus ihre Gräbere giengen, und im Dorfe wenig luegten, öb no alles ischwie almig. 's isch mer doch bis dato kenbigegnet, aß i weiß. Denkwol i thue's,und rüef de Todte – Nei sel thueni nit!Still willi uf de stille Gräbere goh!Sie hen io d' Uhr im Thurn, und weißi denn,isch au scho ihre Mitternacht verbey?'s cha sy, es fallt no dunkler alliwilund schwärzer uf sie abe – d' Nacht isch lang. |
[169] | 's cha sy, es zuckt e Streifli Morgerothscho an de Berge uf – i weiß es nit.
Wie ischs so heimli do? Sie schlofe wohlGott gunnene's! – e bizli schuderig,sel läugni nit; doch isch nit alles tod.I hör io 's Unrueih in der Chilche; 's ischder Pulz der Zit in ihrem tiefe Schlof,und d' Mitternacht schnuft vo de Berge her.Ihr Othem wandlet über d' Matte, spieltdört mittem Tschäubbeli am grüne Nast,und pfift dur d' Scheie her am Gartehag.Sie chuuchet füecht an d' Chilche-Mur und chalt;die lange Fenster schnattere dervound 's lopperig Chrütz. Und lueg, do lüftet sieen offe Grab! – Du guten alte Franzse hen sie der di Bett scho gmacht im Grund,und 's Deckbett wartet uf di nebe dra,und d' Liechtli us der Heimeth schine dri!
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[170] | He nu, es gohtis alle so; der Schlofzwingt ieden uffem Weg, und eb er garin d' Heimeth dure chunnt; doch wer emolsi Bett im Chilchhof het, Gottlob er ischzum lezte mol do niden übernacht;und wenn es taget, und mer wachen uf,und chömmen use, hemmer nümme wiit,e Stündli öbben, oder nitemol. –Se stolperi denn au no d' Stäpfli ab,und bi so nüechter bliebe hinechtie.
«Loset, was i euch will sage!D'Glocke het zwölfi gschlage.Und d' Sternli schine no so froh,und us der Heimeth schimmerts so;und 's isch no um e chleini Zit.Vom Chilchhof seigs gwiß nümme wiit.»
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[171] | Wo bini gsi? Wo bini echterst iez?E Stäpfli uf, e Stäpfli wieder ab,und witers nüt? Nei weger witers nüt!Isch nit 's ganz Dörfli in der Mitternachte stille Chilchhof? Schloft nit alles do,wie dört vom lange müede Wachen us,vo Freud und Leid, und lit in Gottis Hand,do unterm Strau-Dach, dört im chüele Grund,und warte, biß es taget um sie her?
He, 's würd io öbbe! Und wie lang und schwarzau d' Nacht vom hoche Himmel abe hangt,verschlofen isch der Tag deswege nie;und bißi wieder chumm, und no ne mol,so gen mer d' Gühl scho Antwort, wenni rüef,se weiht mer scho der Morgeluft ins Gsicht.Der Tag verwacht im Tanne-Wald, er lüpftalsgmach der Umhang obsi; 's Morgeliechtes rieslet still in d' Nacht, und endli wahlt's |
[172] | in goldne Strömen über Berg und Thal;es zuckt und wacht an allen Orte; 's gohte Lade do und dört e Husthür uf,und 's Lebe wandlet use frey und froh.
Du liebi Seel, was wirds e Fyrtig sy,wenn mit der Zit die lezti Nacht versinkt,wenn alli goldne Sterne groß und chlei,und wenn der Mond und 's Morgeroth und d' Sunnin Himmels-Liecht verrinnen, und der Glastbis in die tiefe Gräber abe dringt,und d' Muetter rüeft de Chindlene: «'s isch Tag!»und alles usem Schlof verwacht, und done Laden uf goht, dört e schweri Thür!Die Todten luegen use iung und schön.'s het menge Schade gutet übernacht,und menge tiefe Schnatte bis ins Herzisch heil. Sie luegen use gsund und schön, |
[173] | und tunke 's Gsicht in Himmels-Luft. Sie stärktbis tief ins Herz – Du alte Nar, was briegsch?
«Loset, was i euch will sage!D'Glocke het zwölfi gschlage.Und d' Liechtli brennen alli no;der Tag will iemerst no nit cho.Doch Gott im Himmel lebt und wacht,er hört wohl, wenn es Vieri schlacht!» |