BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Novalis

1772 - 1801

 

Tagebücher

Journal

 

31. Mai - 2. Juni 1797

 

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[Wiederstedt]

31. [May] 1ster Junius. 2ter J[unius] 74. 75. 76.

 

Den lezten Tag in Gr[üningen] war ich früh fleißig. Der Hauptmann kam herauf – wir sprachen von Allerhand – Nachmittags gieng ich, nach einigen Studien, bald spatzieren. Das Wetter war schön und ich heiter. Ich begegnete dem Magister, mit dem ich bis Topfstedt gieng. Auf dem Rückwege fand ich Leute bey dem Grabe. Ich gieng also nach Hause – packte ein – sprach nach Tisch noch mit der Machere und Carolinchen von der Ewig-Guten. Nachher gieng ich ins stille Land. Da bin ich noch Einmal, ohnerachtet es sich im Anfang nicht so anließ – recht gerührt, recht innig bey ihr gewesen. Ich habe meinen Entschluß noch Einmal beschworen – dann gieng ich weg und zu Bett. Früh, gestern, fuhr der Hauptmann bis Artern mit mir – ich war recht aufgeräumt im schönen Wetter. In Sachsenburg begegneten wir Leuten, die einen ersoffenen Mann getragen brachten. In Artern aßen wir bey Semlers. Ich führte den Hauptmann herum und dann trennten wir uns. Unterwegs hab ich viel gedacht. In Eisleben sah ich Mindermann einen Augenblick – auch George und Wilke. In Widerstedt fand ich alle munter und wohl – und vergnügt. Mit Innigem Gebet an S[ophien] schlief ich ein. Heute stand ich sehr früh auf – mein Vater fuhr nach Klosterrode. Die Comtesse war sehr kranck. Ich war früh sehr fleißig. Dann schwazte ich einige Stunden mit der Mutter und den Schwestern – zog mich an – las ein Paquet Acten vom Vater durch – gieng in die Gärten mit Carolinen spatzieren – und schwazte erst mit der Mutter, dann mit Landvoigt bis zu Tisch. Die beyden Officiers, die ich heute erwartete, kamen nicht. Nach der Sieste las ich – gieng nachher mit Landvoigt zum Pastor – wo wir einige Stunden recht ruhig und angenehm zubrachten. Der Vater kam – die Comtesse befand sich besser. Mit dem Vater blieb ich den Rest des Abends in mannichfaltigen Gesprächen zusammen. Von Karl und dem alten Brachmann fand ich Briefe.

Im Ganzen hab ich die frohe Hoffnung in meiner Seele – daß ich leichter abkommen werde, als ich denke. Die Menschen scheinen einander unentbehrlicher, als sie sind. Meine M[utter] genießt mich wenig – so auch mein Vater. Meine Geschwister, nemlich die beyden Ältern, werden mich vermissen lernen. Kurz mein Verschwinden wird keinen solchen Eindruck machen, als ich befürchtete.