August von Platen
1796 - 1835
Die AbbassidenEin Gedicht in neun Gesängen
1930
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Neunter Gesang.
Durch die Magierstadt indessen wälzteSich Tumult und nach dem Haven drängt sichAlles Volk. Man sieht mit ausgespannten,Vollen Segeln nahn sich eine Flotte. | |
5 | Bald an's Land in einer leichten BarkeSteigt ein Herold; dieser heischt, dem KönigVorgeführt zu sein, und augenblicklichVor den König führen ihn Trabanten.Drauf zu Schehriar beginnt der Fremdling: |
10 | Mächtiger Herrscher, der du diese ReicheDurch Gewalt erobert, dir entbietetIhren Gruß die Königin Selmira,Die sich gürtet mit dem Schwert Muhammeds.Dir gebeut sie, dieses Land vom schnöden |
15 | Feuergötzendienste rein zu waschen,Wieder aufzubau'n Moscheen und Thürme,Und die Gläubigen zum Gebete fünfmalJeden Tag zu rufen. Deiner KroneDir nur angemaßten Reif befielt sie |
20 | Auf das Haubt der Tochter Abdorrachman's,Deren Eigenthum er ist, zu setzen.Doch vor Allem dieses Eine heischt sie:Wenn vielleicht in dieser Stadt, von deinerBösen List umgarnt, verweilt der jüngste |
25 | Sohn des Harun, der der Sohn Mohadi's,Sollst du sonder Zögerung den JünglingMeinen Händen übergeben. GnadeMag dir dann vielleicht ein Wink verheißen;Doch, versagst du dich gerechter Fodrung, |
30 | Wird sie dich zerstören, ihre PflugscharFühren über diese Stadt, und ackernAuf den Trümmern deiner falschen Herrschaft!Nicht vergeblich droht sie dir: an's FensterKomm, es weht in diesen Wimpeln allen |
35 | Dir der Zorn der Königin entgegen!Hier beschützen dich allein Trabanten,Feige Söldner, denn es haßt das Volk dich;Dieß bedenk' und weigere nicht Gehorsam!
Stolzen Blicks erwidert Schehriar ihm, |
40 | Rasch den Säbel aus der Scheide reißend:Melde deiner Königin, wie glänzendDiese Waffe sei, wie frei von Rost noch.Mag sie landen, wenn es ihr gelüstet;Aber nie mehr wird sie dann im Schatten |
45 | Ihrer Palmenhaine weichlich wandeln!Nicht Moscheen und Thürme, Gräber wollenBau'n wir ihr und allen ihren Sklaven.
So der König, der den Feind entlassendRasch zu Pferd steigt. Mit verhängtem Zügel |
50 | Jagt er durch die Stadt, um seine SöldnerEinzusammeln. Auf des eignen PallastsFlaches Dach indessen läßt die beidenAbbassiden wohlbewacht er führen,Wohlgefesselt: Sollten je, gedenkt er, |
55 | Sieg erfechten hier die Mosleminen,Möge Harun Alraschid in BagdadDurch der eignen Söhne schmählich EndeSeines gläubigen Volks Triumph bezahlen!
Unterdessen wehte hoch und stattlich |
60 | Längs der Rhede schon Selmira's Flagge:Durch den günstigen Wind getrieben, drängteSchiff an Schiff sich, folgend eins dem andern,Um die Wette steuernd. Also folgenAuf der Rennbahn oft sich edle Rosse |
65 | Pfeilgerade, wenn sie losgelassenNebenbuhlerisch den Preis erjagen.
Kaum der Landung widersetzt das Volk sich,Schehriar, der seine Mannen anführt,Reiht sie außerhalb des Thors in Ordnung; |
70 | Doch den Schiffen fort und fort entsteigenImmer neue Krieger, nach der Stadt zuDrängt das Heer der Königin den König.Wie die See, wenn sturmbewegt sie brandet,Stets mit schäumiger Flut die Felsengrotten |
75 | Füllt am Ufer, aber immer wiederWeichend abfließt; so mit stetem AndrangFührte Schehriar voran die Seinen;Aber immer ward zurückgestoßenSeine Schaar, und selbst die Mauern schützen |
80 | Länger nicht ihn, hinter die zuletzt erSich verbirgt. Es dringt der Feind gewaltigDurch das Thor ihm nach. In allen GassenWütet bald der laute Kampf. SelmiraZieht den Ihrigen selbst voran, und eine |
85 | Tapfere Jünglingsschaar umgibt sie, schwenkendUeber'm Haubt ihr wehende bunte Fahnen.Als der König bis zum eignen PallastSich zurückgetrieben sieht, besetzt erAlle Thore mit dem Rest der Seinen; |
90 | Doch er selbst besteigt das Dach, wo AssadBei dem Bruder stand. Von schweren KettenWaren beide zwar belastet; dennochVoll von Hoffnung folgten ihre Blicke,Nach der Stadt hinabgewandt, dem Ausgang |
95 | Jenes Kampfs. Doch Schehriar, mit bittermHohn im Angesicht, erscheint vor ihnen:Junge Thoren, ruft er ans, bejubeltNicht zu zeitig meine Niederlage,Die beschleuniget euren Tod wie meinen. |
100 | Freudig unterwerf' ich mich dem Schicksal,Wenn ich denke, daß der Freund Selmira's,Daß der Mörder meines Sohns zugleich fällt.
Drauf zum Rand des Daches, das mit schönemSteingeländer war umgeben, tritt er: |
105 | Blick' empor, o Königin der Palmen,Laß die Banner über deinem HaubteSich zertheilen, um das prächtige SchauspielNicht zu missen, das ich vorbereite!Schehriar, dein überwundener Feind, will |
110 | Deinen Sieg mit seinem Tod besiegeln;Aber ehe dieser Speer (du siehst ihn)Meinen Busen spaltet, erst erprobenSeine Schärfe will ich hier an beidenSöhnen Harun Alraschid's, Beherrschers |
115 | Aller Gläubigen aus dem Stamm des Abbas.Doch getrost, o Königin! Sobald ichIhre Leichen dir hinabgeworfen,Stoß' ich selbst in meine Brust die Lanze.
So der finstere Schehriar. Verzweiflung |
120 | Faßt das Herz der Königin Selmira:Lebewohl zurufen sich die Brüder.Aber als die gute Fee MelindaSchon das edle Paar anheimgefallenSieht dem sichern Untergang, erbarmt sich |
125 | Ihre milde Seele. Schleunig läßt sieEinen Falken fliegen. Dieser FalkeRichtet nach dem Libanon den raschenZauberflug, wo eben Prinz Amin sichDurch den Aether wiegte. Mit dem Schnabel |
130 | Raubt der Vogel ihm den prächtigen Turban,Den er weit entführt in Blitzeseile;Doch es folgt in gleicher Hast der JünglingAngstbekümmert auf dem Flügelrappen,Denn der schönen Heliodora goldne |
135 | Kette war gewunden um den Turban.Nach der Magierstadt enteilt der Vogel,Auf dem Dach von Schehriars PallasteLäßt er fallen seinen Raub, wie ebenSchon den Spieß erhub der greise König, |
140 | Nach der Brust der Abbassiden zielend.Mit Entsetzen sieht Amin gebundenSeine Brüder stehn, er sieht den WütrichIm Begriff des Mords. Ein Stein, geworfenDurch die Schleuder eines Knaben, donnert |
145 | Nicht so schnell zu Boden, als herunterFährt Amin auf seinem Flügelrosse.Drauf, mit Einem Hieb zerhaut des KönigsSchädel zornentbrannt der mutige Jüngling.
Schon entfliehen Schehriars Trabanten, |
150 | Eingeschüchtert durch ein solches Wunder,Lauter Beifall schon ertönt von untenAus dem Heer der Königin, die BrüderHalten schon frohlockend sich umschlungen.Doch sie steigen schnell herab, in Ehrfurcht |
155 | Ihre Kniee vor Selmira beugend,Welche friedlich nun die stolzen FahnenSenken läßt. – Im feierlichen ZugeNach dem Schloß, wo Diwisade haus'te,Ziehn des Magiervolkes Abgesandte, |
160 | Ihr des Herrscherthums Symbol, die Krone,Darzubieten. Prinz Amin geleitetSelbst den Zug; vor ihnen schwang sich AssadAuf das Flügelroß, der theuern GattinDiese Botschaft anzukündigen. Assur |
165 | Und Selmira weilen unterdessenIm Pallast, Gespräche süßen InhaltsFröhlich wechselnd. Mehr als Einmal dank ichDir das Leben, ruft der Sohn des Harun,Möcht' ich einst dir jenes Glück verdanken |
170 | Ohne welches selbst das reichste DaseinLeer und drückend uns erscheint, und spurlosGeht vorüber. Schelten möchte HarunMeine jugendliche Flucht, wofern ichNichts gewann, als lange Schmach und Leiden. |
175 | Preisen wird er meinen Bruder Assad,Der am Arm der schönen KönigstochterWieder heimkehrt an's Gestad' des Tigris!
Ihm versetzt die Königin Selmira:Nicht verdankst du mir das Leben, meinem |
180 | Willen weigerte stets Erfolg das Schicksal;Aber gerne würde dich als GastfreundNoch einmal die Palmenstadt begrüßen,Selbst als König – wenn du willst – und soll ichWählen einen Vater mir, so sei es |
185 | Harun Alraschid, Kalif in Bagdad!
Dankend sinkt zu ihren Füßen Assur;Bald erscheinen seine Brüder, ihnenFolgt die königliche Diwisade,Auf dem Haubt ein Diadem. Es grüßen |
190 | Beide Frau'n sich liebevoll, und AssurZeigt dem Volk als seine Braut Selmira.
Doch Amin beginnt: O theure Brüder!Mögt genießen ihr des Glücks der Liebe;Morgen aber laßt der Kindespflicht uns |
195 | Weih'n den Tag! Wiewohl zu Drei'n, es wird unsTragen leicht der Hippogryph nach Bagdad.Uns im feierlichen Zuge mögenDann die Frau'n gemach in Sänften folgen.
So geschah's. – Und als der Abend thaute, |
200 | Sehn die Brüder sich am Thore Bagdads,Steigen ab und wandeln längs des FlussesZum Pallast. Ihr Auge ward indessenAngezogen durch ein heiteres Schauspiel:Auf dem Tigris schwamm, mit seidnen Wimpeln, |
205 | Schön vergoldet eine prächtige Gondel;Perlgestickte, reiche Teppiche hingenVom Verdeck herab, und tausend FackelnWurden rings von Sklavenhand geschwungen:Zimbeln tönten und Gesang im Innern. |
210 | Vorn am Kiele stand ein bunter Herold,Dieser rief: Ihr Gläubigen, beugt die KnieeVor'm Kalifen aller Welt und Bagdads!
Froh vernehmen dieß die Söhne Haruns,Einen Fischerkahn sogleich besteigend, |
215 | Der sie nach der Gondel führt. Sie werdenEingelassen: aber welch ErstaunenFaßt die Fürsten, die anstatt des VatersEinen Fremden sehn! Ein schlanker Jüngling,Als Kalif mit allen Würdezeichen, |
220 | Tritt gelassen ihrem Gruß entgegen:Prinz Alasnam war's, der Sohn Abdalla's.
Doch vernehmt indessen, welches SchicksalIhm zu Theil ward, seit dem alten DerwischUebergab er seine Braut Amine: |
225 | Nicht die Habsucht, nein – es treibt VerzweiflungIhn hinunter in der PyramideTiefen Schlund, sobald der zweite MorgenStieg empor. Das ihm verheißene KleinodSucht er nicht, er sucht den Tod: Begraben, |
230 | Ruft er schmerzlich, mag der GeisterkönigMeine Leiche hier mit ihrer Leiche!Dieß gesagt, betritt den großen Saal er,Dessen Spiegelwände mächtig leuchten.Dort, auf einem Fußgestell von Marmor, |
235 | Sieht er stehn das ihm geweihte Bildniß,Dessen Reichthum allen ErdenreichthumUeberbieten soll an Wert. In einenFlor verhüllt war's: O wie dürftig scheinenJetzt die Güter dieser eitlen Welt mir, |
240 | Ruft er aus; so wandelbar'm Metall nachDurfte geizen meines Sinns Verblendung?Zürnend reißt den Schleier weg der Jüngling;Doch, o Himmel! Was erblickt er? LächelndSteht vor ihm in ihrer seligen Unschuld |
245 | Aller Schätze holder Schatz Amine.Freundlich reicht ihm ihre Hand das Mädchen,Die er wonnetrunken faßt, von WahnsinnFast ergriffen, zwischen Schmerz und Jubel.
Drauf an's Tageslicht die Braut geleitend, |
250 | Sinkt in Staub er vor dem klugen Derwisch.Dieser spricht zu ihm: O Sohn Abdalla's,Sei beglückt und kehre heim! Das eineWort, vernimm es noch: Der GeisterkönigLebt im Mund des Volks allein, die Schätze |
255 | Waren deines Vaters, jener SpiegelIst die Schöpfung meiner Kunst; ich wollteLehren dich des Lebens beste Güter!
Dankend eilt mit seiner schönen HälftePrinz Alasnam nach dem alten Cairo; |
260 | Aber bald vernimmt er, daß von BagdadSeinen Großwesir mit einem HeereGegen ihn gesandt der Fürst des Glaubens.Mehr, als Alles, galt es nun, den VaterAuszusöhnen. Selbst Aminens Rettung |
265 | Möchte kaum beschwichtigen billigen Unmut.Eine List drum sinnt er aus, in BagdadUngehindert und zugleich im SchutzeSeiner Mannen einzudringen. ReichlichNimmt er Gold mit sich und einen Haufen |
270 | Rüstiger Sklaven; doch vor Allem seineHolde Gattin. Am Gestad' des TigrisLäßt er schmücken jenes Schiff, in BagdadSelbst bereiten einen prächtigen Pallast,Dort ein Fest zu feiern, um die Neugier |
275 | Harun Alraschids dahinzulocken,Unter dessen Namen ihm die EinfahrtNach der Stadt gelingt. Und also fandenIhn die Fürsten. Bald erklärt sich Alles,Und die Schwester übernimmt Vermittlung.
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280 | Wolltet ihr, o Freunde, spricht Alasnam,Nur für wenige Stunden eures VatersWiedersehn verschieben, wolltet ihr michNach dem Pallast ungesäumt begleiten,Dann, fürwahr, befürcht' ich nichts; es wird mir, |
285 | Bring' ich wieder ihm die langentbehrten,Ihm zurück die vielgeliebten Kinder,Gern verzeih'n der milde Sohn Mohadi's:Solche Pfänder sind die höchste Bürgschaft!
So geschah's; sie landen am Pallaste, |
290 | Wo sie hoch im Saal Musik bewillkommt,Während tausend Candelaber brannten.Lieblich wanden blühende TänzerinnenIhren Reigen zwischen schöne KnabenHand in Hand hindurch mit seltner Anmut.
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295 | Doch der nächsten Prunkgemächer einesSchließt Alasnam auf, wohin er selbst sichHinbegibt, mit ihm die theuern Lieben;Denn er wußte, daß um diese StundeJeden Abend, sammt dem greisen Mesrur, |
300 | Harun Alraschid vorüberginge.Wenige Zeit verstrich, da wandelte wirklich,Wie gewohnt er war, der Fürst des Glaubens,Samt dem greisen Freunde längs des Tigris.Als das schön erleuchtete Haus er wahrnimmt, |
305 | Fragt er, wer ein solches Fest bereite?Ihm versetzt die Menge: Dieses Fest wirdVom Kalifen, der in prächtiger GondelEben angelandet ist, gefeiert.
Voll Erstaunen tritt der Sohn Mohadi's |
310 | Einen Schritt zurück. Sodann beschließt er,Nach dem Saal emporzusteigen. EbenLieß ein üppiger Chor von SängerinnenDieses Lied zur Laute hold ertönen:Heil der Schönheit, die dem Erdenbürger |
315 | Ganz allein versüßt das flüchtige Dasein!Alles Andere täuscht das Herz mit eitlenLeeren Bildern. Ruhm und Gold und WürdeHaben keinen noch beglückt in Wahrheit.Nur die Schönheit lehrt den Erdenbürger, |
320 | Daß das Glück kein bloser Wunsch und Traum ist,Nein, zu fassen ist mit beiden Armen!
So das Lied. Es horchte wohlgefälligHarun Alraschid, und dann beginnt er:Holde Mädchen! Wer vermag zu sagen, |
325 | Wo des Hauses gütiger Wirth verweilet?
Spricht's, und plötzlich zeigt sich ihm Alasnam.Schaudernd wendet sich der Fürst des Glaubens,Seine Hand am Schwert. Für AugenblickeNur bezähme deinen Zorn, o Harun, |
330 | Spricht Alasnam, bis ich Die gefunden,Deren Fürwort dich vielleicht besänftigt!
Sagt's und öffnet schnell die Thür. An ihresZärtlichen Vaters Busen sinkt Amine,Sinkt Amin und neben Assur Assad. |
335 | Ueberwältiget vom Gefühl der Wehmut,Lange sprachlos, drückt die holden KinderFest an's Herz der überraschte Harun.Arm in Arm, Erzeuger, Söhne, Tochter,Weinten laut die edeln Abbassiden; |
340 | Dann beginnt zuletzt der Fürst des Glaubens:
Sohn Abdalla's, meines Busenfreundes!Mit dem Geber solcher Gaben darf ichNicht zu rechten mich erkühnen! Was auchLeichter Sinn und Unbedacht verbrochen, |
345 | Sei bedeckt vom Schleier zarter Liebe!Hin und her bewegt vom Sturm des Schicksals,Zeigt der Mensch uns bald die schönere Seite,Bald die schlimmere, wie die MalereienAuf dem Wimpel eines Schiffs. Im Leben |
350 | Ist Vergessen nicht die letzte Tugend.
So der Abbasside. Freudig drängenSeine Söhne sich um ihn, erzählendWechselseits der allzulangen IrrfahrtMißgeschick und ihr vergnügtes Ende. |
355 | Wenn ein Fürst hienieden je beglückt war,War es Harun Alraschid in Bagdad. |