BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Karl Simrock

1802 - 1876

 

Das Nibelungenlied

 

Eilftes Abenteuer

 

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Wie Siegfried mit seinem Weibe heimkehrte.

 

713

Als die Gäste waren | gefahren all davon,

Da sprach zu dem Gesinde | König Siegmunds Sohn:

«Wir wollen auch uns rüsten | zur Fahrt in unser Land.»

Lieb ward es seinem Weibe, | als ihr die Märe ward bekannt.

714

Sie sprach zu ihrem Manne: | «Wann sollen wir nun fahren?

So sehr damit zu eilen | will ich mich bewahren:

Erst sollen mit mir theilen | meine Brüder dieses Land.»

Leid war es Siegfrieden, | als ers an Kriemhilden fand.

715

Die Fürsten giengen zu ihm | und sprachen alle drei:

«Wißt nun, Herr Siegfried, | daß euch immer sei

Unser Dienst mit Treue | bereit bis in den Tod.»

Er neigte sich den Herren, | da mans so wohl ihm erbot.

716

«Wir wolln auch mit euch theilen,» | sprach Geiselher das Kind,

«Das Land und die Burgen, | die unser eigen sind,

Und was der weiten Reiche | uns ist unterthan;

Ihr empfangt mit Kriemhild | euer volles Theil daran.»

717

Der Sohn König Siegmunds | sprach zu den Fürsten da,

Als er den guten Willen | der Herren hört und sah:

«Gott laß euch euer Erbe | gesegnet immer sein

Und auch die Leute drinnen: | es mag die liebe Fraue mein

718

«Des Theils wohl entrathen, | den ihr ihr wolltet geben: |

Wo sie soll Krone tragen, | mögen wirs erleben,

Da muß sie reicher werden, | als wer ist auf der Welt.

Was ihr sonst gebietet, | ich bin euch dienstlich gesellt.»

719

Da sprach aber Kriemhild: | «Wenn ihr mein Land verschmäht,

Um die Burgundendegen | es so gering nicht fleht;

Die mag ein König gerne | führen in sein Land:

Wohl soll sie mit mir theilen | meiner lieben Brüder Hand.»

720

Da sprach König Gernot: | «Nimm, die du willst, mit dir. |

Die gerne mit dir reiten, | du findest Viele hier.

Von dreißighundert Recken | nimm dir tausend Mann

Zu deinem Hausgesinde.» | Kriemhild zu senden begann

721

Nach Hagen von Tronje | und nach Ortwein,

Ob sie und ihre Freunde | Kriemhildens wollten sein.

Da gewann darüber Hagen | ein zorniges Leben:

Er sprach: «Uns kann Gunther | in der Welt an Niemand vergeben.

722

«Ander Ingesinde | nehmt zu eurer Fahrt;

Ihr werdet ja wohl kennen | der Tronejer Art.

Wir müßen bei den Königen | bleiben so fortan

Und denen ferner dienen, | deren Dienst wir stäts versahn.»

723

Sie ließen es bewenden | und machten sich bereit.

Ihres edeln Ingesindes | nahm Kriemhild zum Geleit

Zweiunddreißig Mägdelein | und fünfhundert Mann;

Eckewart der Markgraf | zog mit Kriemhild hindann.

724

Da nahmen alle Urlaub, | Ritter so wie Knecht,

Mägdelein und Frauen: | so war es Fug und Recht.

Unter Küssen scheiden | sah man sie unverwandt,

Und jene räumten fröhlich | dem König Gunther das Land.

725

Da geleiteten die Freunde | sie fern auf ihren Wegen.

Allenthalben ließ man | ihnen Nachtherberge legen,

Wo sie die nehmen wollten | in der Könge Land.

Da wurden bald auch Boten | dem König Siegmund gesandt,

726

Damit er wißen sollte | und auch Frau Siegelind,

Sein Sohn solle kommen | mit Frau Utens Kind,

Kriemhild der schönen, | von Worms über Rhein.

Diese Mären konnten | ihnen nimmer lieber sein.

727

«Wohl mir,» sprach da Siegmund, | «daß ich den Tag soll sehn,

Da hier die schöne Kriemhild | soll unter Krone gehn!

Das erhöht im Werthe | mir all das Erbe mein:

Mein Sohn Siegfried | soll nun selbst hier König sein.»

728

Da gab ihnen Siegelind | zu Kleidern Sammet roth

Und schweres Gold und Silber: | das war ihr Botenbrot.

Sie freute sich der Märe, | die sie da vernahm.

All ihr Ingesinde | sich mit Fleiß zu kleiden begann.

729

Man sagt' ihr, wer da käme | mit Siegfried in das Land.

Da hieß sie Gestühle | errichten gleich zur Hand,

Wo er vor den Freunden | sollt unter Krone gehn.

Entgegen ritten ihnen | Die in König Siegmunds Lehn.

730

Wer beßer wäre empfangen, | mir ist es unbekannt,

Als die Helden wurden | in Siegmundens Land.

Kriemhilden seine Mutter | Sieglind entgegenritt

Mit viel der schönen Frauen; | kühne Ritter zogen mit

731

Wohl eine Tagereise, | bis man die Gäste sah.

Die Heimischen und Fremden | litten Beschwerde da,

Bis sie endlich kamen | zu einer Veste weit,

Die Santen war geheißen, | wo sie Krone trugen nach der Zeit.

732

Mit lachendem Munde | Siegmund und Siegelind

Manche liebe Weile | küssten sie Utens Kind

Und Siegfried den Degen; | ihnen war ihr Leid benommen.

All ihr Ingesinde | hieß man fröhlich willkommen.

733

Da brachten sie die Gäste | vor König Siegmunds Saal.

Die schönen Jungfrauen | hub man allzumal

Von den Mähren nieder; | da war mancher Mann,

Der den schönen Frauen | mit Fleiß zu dienen begann.

734

So prächtig ihre Hochzeit | am Rhein war bekannt,

Doch gab man hier den Helden | köstlicher Gewand,

Als sie all ihr Leben | je zuvor getragen.

Man mochte große Wunder | von ihrem Reichthume sagen.

735

So saßen sie in Ehren | und hatten genug.

Was goldrothe Kleider | ihr Ingesinde trug!

Edel Gestein und Borten | sah man gewirkt darin.

So verpflag sie fleißig | Sieglind die edle Königin.

736

Da sprach vor seinen Freunden | der König Siegmund:

«Allen meinen Freunden | thu ichs heute kund,

Daß Siegfried meine Krone | hier hinfort soll tragen.»

Die Märe hörten gerne | Die von Niederlanden sagen.

737

Er befahl ihm seine Krone | mit Gericht und Land:

Da war er Herr und König. | Wem er den Rechtsspruch fand

Und wen er strafen sollte, | das wurde so gethan,

Daß man wohl fürchten durfte | der schönen Kriemhilde Mann.

738

In diesen hohen Ehren | lebt' er, das ist wahr,

Und richtet' unter Krone | bis an das zehnte Jahr,

Da die schöne Königin | einen Sohn gewann,

An dem des Königs Freunde | ihren Wunsch und Willen sahn.

739

Alsbald ließ man ihn taufen | und einen Namen nehmen:

Gunther, nach seinem Oheim, | des dürft er sich nicht schämen.

Gerieth' er nach den Freunden, | er würd ein kühner Mann.

Man erzog ihn sorgsam: | sie thaten auch recht daran.

740

In denselben Zeiten | starb Frau Siegelind:

Da nahm die volle Herrschaft | der edeln Ute Kind,

Wie so reicher Frauen | geziemte wohl im Land.

Es ward genug betrauert, | daß der Tod sie hatt entwandt.

741

Nun hatt auch dort am Rheine, | wie wir hören sagen,

Gunther dem reichen | einen Sohn getragen

Brunhild die schöne | in Burgundenland.

Dem Helden zu Liebe | ward er Siegfried genannt.

742

Mit welchen Sorgen immer | man sein hüten hieß!

Von Hofmeistern Gunther | ihn Alles lehren ließ,

Was er bedürfen möchte, | erwüchs' er einst zum Mann.

Hei, was ihm bald das Unglück | der Verwandten abgewann!

743

Zu allen Zeiten Märe | war so viel gesagt,

Wie doch so herrlich | die Degen unverzagt

Zu allen Stunden lebten | in Siegmundens Land:

So lebt' auch König Gunther | mit seinen Freunden auserkannt.

744

Das Land der Nibelungen | war Siegfried unterthan

Keiner seiner Freunde | je größern Schatz gewann)

Mit Schilbungens Recken | und der Beiden Gut.

Darüber trug der Kühne | desto höher den Muth.

745

Hort den allermeisten, | den je ein Held gewann,

Nach den ersten Herren, | besaß der kühne Mann,

Den vor einem Berge | seine Hand erwarb im Streit:

Er schlug darum zu Tode | manchen Ritter allbereit.

746

Vollauf besaß er Ehre, | und hätt ers halb entbehrt,

Doch müste man gestehen | dem edeln Recken werth,

Daß er der Beste wäre, | der je auf Rossen saß.

Man scheute seine Stärke, | mit allem Grunde that man das.