Karl Simrock
1802 - 1876
Das Nibelungenlied
Fünfzehntes Abenteuer
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Wie Siegfried verrathen ward.
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903 | Man sah am vierten Morgen | zweiunddreißig MannHin zu Hofe reiten: | da ward es kund gethanGunther dem reichen, | es droh ihm neuer Streit.Die Lüge schuf den Frauen | das allergrößeste Leid. |
904 | Sie gewannen Urlaub, | an den Hof zu gehn.Da sagten sie, sie ständen | in Lüdegers Lehn,Den einst bezwungen hatte | Siegfriedens HandUnd ihn als Geisel brachte | König Gunthern in das Land. |
905 | Die Boten grüßte Gunther | und hieß sie sitzen gehn.Einer sprach darunter: | «Herr König, laßt uns stehn,Daß wir die Mären sagen, | die euch entboten sind.Wohl habt ihr zu Feinden, | das wißt, mancher Mutter Kind. |
906 | «Euch wiedersagen Lüdegast | und König Lüdeger:Denen schuft ihr weiland | grimmige Beschwer;Nun wollen sie mit Heereskraft | reiten in dieß Land.»Gunther begann zu zürnen, | als wär es ihm unbekannt. |
907 | Man ließ die falschen Boten | zu den Herbergen gehn.Wie mochte da Siegfried | der Tücke sich versehn,Er oder anders Jemand, | die man so listig spann?Doch war es ihnen selber | zu großem Leide gethan. |
908 | Der König mit den Freunden | gieng raunend ab und zu:Hagen von Tronje | ließ ihm keine Ruh,Noch wollt es Mancher wenden | in des Königs Lehn;Doch nicht vermocht er Hagen | von seinen Räthen abzustehn. |
909 | Eines Tages Siegfried | die Degen raunend fand.Da begann zu fragen | der Held der Niederland:«Wie traurig geht der König | und Die ihm unterthan?Das helf ich immer rächen, | hat ihnen wer ein Leid gethan.» |
910 | Da sprach König Gunther: | «Wohl hab ich Herzeleid:Lüdegast und Lüdeger | drohn mir wieder Streit.Mit Heerfahrten wollen sie | reiten in mein Land.»Da sprach der kühne Degen: | «Dem soll Siegfriedens Hand |
911 | «Nach allen euern Ehren | mit Kräften widerstehn;Von mir geschieht den Degen, | was ihnen einst geschehn.Ihre Burgen leg ich wüste | und dazu ihr Land,Eh ich ablaße: | des sei mein Haupt euer Pfand. |
912 | «Ihr mit euern Mannen | nehmt der Heimat wahr;Laßt mich zu ihnen reiten | mit meiner Leute Schar.Daß ich euch gerne diene, | laß ich euch wohl sehn:Von mir soll euern Feinden, | das wißet, übel geschehn.» |
913 | «Nun wohl mir dieser Märe,» | der König sprach da so,Als wär er seiner Hülfe | alles Ernstes froh.Tief neigte sich in Falschheit | der ungetreue Mann.Da sprach der edle Siegfried: | «Laßt euch keine Sorge nahn.» |
914 | Sie schickten mit den Knechten | zu der Fahrt sich an:Siegfrieden und den Seinen | ward es zum Schein gethan.Da hieß er sich rüsten | Die von Niederland:Siegfriedens Recken | suchten ihr Streitgewand. |
915 | Da sprach der starke Siegfried: | «Mein Vater Siegmund,Bleibt ihr hier im Lande: | wir kehren bald gesund,Will Gott uns Glück verleihen, | wieder an den Rhein.Ihr sollt bei dem König | unterdessen fröhlich sein.» |
916 | Da wollten sie von dannen: | die Fähnlein band man an.Umher standen Viele, | die Gunthern unterthanUnd hatten nicht erfahren, | wie es damit bewandt.Groß Heergesinde war es, | das da bei Siegfrieden stand. |
917 | Die Panzer und die Helme | man auf die Rosse lud;Aus dem Lande wollten | viel starke Recken gut.Da gieng von Tronje Hagen | hin, wo er Kriemhild fand;Er bat sie um Urlaub: | sie wollten räumen das Land. |
918 | «Nun wohl mir,» sprach Kriemhild, | «daß ich den Mann gewann.»Der meine lieben Freunde | so wohl beschützen kann,Wie hier mein Herr Siegfried | an meinen Brüdern thut:Darum trag ich,» sprach die Königin, | «immer fröhlichen Muth. |
919 | «Lieber Freund Hagen, | nun hoff ich, ihr gedenkt,Daß ich euch gerne diene; | ich hab euch nie gekränkt.Das komme mir zu Gute | an meinem lieben Mann:Laßt es ihn nicht entgelten, | was ich Brunhilden gethan. |
920 | «Des hat mich schon gereuet,» | sprach das edle Weib,«Auch hat er so zerbleuet | zur Strafe mir den Leib,Daß ich je beschwerte | mit Reden ihr den Muth,Er hat es wohl gerochen, | dieser Degen kühn und gut.» |
921 | Da sprach er: «Ihr versöhnt euch | wohl nach wenig Tagen.Kriemhild, liebe Herrin, | nun sollt ihr mir sagen,Wie ich euch dienen möge | an Siegfried euerm Herrn.Ich gönn es niemand beßer | und thu es, Königin, gern.» |
922 | «Ich wär ohn alle Sorge,» | sprach da das edle Weib,«Daß man ihm im Kampfe | Leben nähm und Leib,Wenn er nicht folgen wollte | seinem Uebermuth;So wär immer sicher | dieser Degen kühn und gut.» |
923 | «Fürchtet ihr, Herrin,» | Hagen da begann,«Daß er verwundet werde, | so vertraut mir an,Wie soll ichs beginnen, | dem zu widerstehn?Ihn zu schirmen will ich immer | bei ihm reiten und gehn.» |
924 | Sie sprach: «Du bist mir Sippe, | so will ich dir es sein:Ich befehle dir auf Treue | den holden Gatten mein.Daß du mir behütest | den geliebten Mann.»Was beßer wär verschwiegen, | vertraute da sie ihm an. |
925 | Sie sprach: «Mein Mann ist tapfer, | dazu auch stark genug.Als er den Linddrachen | an dem Berge schlug,Da badet' in dem Blute | der Degen allbereit,Daher ihn keine Waffe | je versehren mocht im Streit. |
926 | «Jedoch bin ich in Sorgen, | wenn er im Kampfe stehtUnd aus der Helden Hände | mancher Sperwurf geht,Daß ich da verliere | meinen lieben Mann.Hei! was ich Sorgen | oft um Siegfried gewann! |
927 | «Mein lieber Freund, ich meld es | nun auf Gnade dir,Daß du deine Treue | bewähren mögst an mir,Wo man mag verwunden | meinen lieben Mann.Das sollst du nun vernehmen: | es ist auf Gnade gethan. |
928 | «Als von des Drachen Wunden | floß das heiße Blut,Und sich darinne badete | der kühne Recke gut,Da fiel ihm auf die Achseln | ein Lindenblatt so breit:Da kann man ihn verwunden; | das schafft mir Sorgen und Leid.» |
929 | Da sprach von Tronje Hagen: | «So näht auf sein GewandMir ein kleines Zeichen | mit eigener Hand,Wo ich ihn schirmen müße, | mag ich daran verstehn.»Sie wähnt' ihn so zu fristen; | auf seinen Tod wars abgesehn. |
930 | Sie sprach: «Mit feiner Seide | näh ich auf sein GewandInsgeheim ein Kreuzchen: | da soll, Held, deine HandMir den Mann behüten, | wenns ins Gedränge geht,Und er vor seinen Feinden | in den starken Stürmen steht.» |
931 | «Das thu ich,» sprach da Hagen, | «viel liebe Herrin mein.»Wohl wähnte da die Gute, | sein Frommen sollt es sein:Da war hiemit verrathen | der Kriemhilde Mann.Urtaub nahm da Hagen: | da gieng er fröhlich hindann. |
932 | Was er erfahren hatte, | bat ihn sein Herr zu sagen.«Mögt ihr die Reise wenden, | so laßt uns reiten jagen.Ich weiß nun wohl die Kunde, | wie ich ihn tödten soll.Wollt ihr die Jagd bestellen?»|«Das thu ich,»sprach der König,«wohl.» |
933 | Der Dienstmann des Königs | war froh und wohlgemuth.Gewiss, daß solche Bosheit | kein Recke wieder thutBis zum jüngsten Tage, | als da von ihm geschah,Da sich seiner Treue | die schöne Königin versah. |
934 | Früh des andern Morgens | mit wohl tausend MannRitt Siegfried der Degen | mit frohem Muth hindann:Er wähnt', er solle rächen | seiner Freunde Leid.So nah ritt ihm Hagen, | daß er beschaute sein Kleid. |
935 | Als er ersah das Zeichen, | da schickt' er ungesehn,Andre Mär zu bringen, | zwei aus seinem Lehn:In Frieden sollte bleiben | König Gunthers Land;Es habe sie Herr Lüdeger | zu dem König gesandt. |
936 | Wie ungerne Siegfried | abließ vom Streit,Eh er gerochen hatte | seiner Freunde Leid!Kaum hielten ihn zurücke | Die Gunthern unterthan.Da ritt er zu dem König, | der ihm zu danken begann: |
937 | «Nun lohn euch Gott, Freund Siegfried, | den willigen Sinn,Daß ihr so gerne thatet, | was mir vonnöthen schien:Das will ich euch vergelten, | wie ich billig soll.Vor allen meinen Freunden | vertrau ich euch immer wohl. |
938 | «Da wir uns der Heerfahrt | so entledigt sehn,So laßt uns nun Bären | und Schweine jagen gehnNach dem Odenwalde, | wie ich oft gethan.»Gerathen hatte Hagen das, | dieser ungetreue Mann. |
939 | «Allen meinen Gästen | soll man das nun sagen,Ich denke früh zu reiten: | die mit mir wollen jagen,Die laßt sich fertig halten; | die aber hier bestehn,Kurzweilen mit den Frauen: | so sei mir Liebes geschehn.» |
940 | Mit herrlichen Sitten | sprach da Siegfried:«Wenn ihr jagen reitet, | da will ich gerne mit.So sollt ihr mir leihen | einen JägersmannMit etlichen Bracken: | So reit ich mit euch in den Tann.» |
941 | «Wollt ihr nur Einen?» | frug Gunther zuhand;«Ich leih euch, wollt ihr, viere, | denen wohl bekanntDer Wald ist und die Steige, | wo viel Wildes ist,Daß ihr des Wegs unkundig | nicht ledig wieder heimwärts müßt.» |
942 | Da ritt zu seinem Weibe | der Degen unverzagt.Derweil hatte Hagen | dem König gesagt,Wie er verderben wolle | den herrlichen Degen.So großer Untreue | sollt ein Mann nimmer pflegen. |
943 | Als die Ungetreuen | beschloßen seinen Tod,Da wusten sie es Alle. | Geiselher und GernotWollten nicht mit jagen. | Weiß nicht, aus welchem GrollSie ihn nicht verwarnten; | doch des entgalten sie voll. |