BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Heinrich Lautensack

1881 - 1919

 

Und wie ein eingerannter

Schiefer schwiert

 

1913

 

Erstausgabe:

in: «Das neue Pathos», herausgegeben

von Paul Zech, Ludwig Meidner und

Hans Ehrenbaum-Degele, Berlin 1913

Textgrundlage:

Heinrich Lautensack, Das verstörte Fest,

Gesammelte Werke.

Herausgegeben von Wilhelm Lukas Kristl.

München: Carl-Hanser-Verlag 1966

 

____________________________________________________________

 

 

 

Und wie ein eingerannter Schiefer schwiert

 

Seit meiner letzten heil. Kommunion,

mein Gott, mein Gott, wie lange ist das schon?

- Durch siebzehn Jahre blieb ich bereits fern

und ging nicht einmal mehr zum Tisch des Herrn

 

und kniete hin und schob die blasse Hand

unter die ausgestreckte Leinewand

 

als wär's ein Springtuch wo bei einem Brand?!

 

(Die Augen zugemacht!, zur Höh' verdreht,

wo gülden im Weihrauch ein Heil'ger fleht.

Und meine Zunge, durstend wie ein Grant;

Gaum, Drüsen ein versagender Hydrant.)

 

Mein Gott, mein Gott, so lange ist das schon

seit meiner letzten heil. Kommunion?

- Und wie ein eingerannter Schiefer schwiert,

hab ich mich selber exkommuniziert!

 

Für den Nichtkatholiken: Der Kommunizierende hat - mit seinem nüchter-nen Magen - möglichst Speichel hervorzubringen, damit die spröde Hostie ehestens aufweicht.