Große Bauingenieurexkursion 2023
Tag 1, Kirchheim: Firma Feess und klimaneutrales Stadtquartier Esslingen
Besuch bei Firma Feess
Wie im vergangenen Jahr waren die Bauingenieur:innen des 6.Semesters bei ihrer großen Bauexkursion in diesem Jahr mit dem Zug unterwegs. Dabei kam es direkt am Montag zum Start der Exkursion zu einem Zugausfall. Die Startschwierigkeiten taten der guten Stimmung jedoch keinen Abbruch und so erreichten wir im Laufe des Vormittag unsere erste Station: Den Recycling-Park der Firma Heinrich Feess GmbH Co. KG in Kirchheim/Teck.
Auf dem Firmengelände werden Beton, Straßenaufbruch, Aushubmaterial und Bauschutt von eigenen Baustellen oder aus Fremdanlieferungen angenommen, um aus den Abfällen neue Baustoffe zu gewinnen. Die Ausgangsmaterialien werden dabei gesiebt, sortiert und zerkleinert. Durch den Einsatz diverser Aufbereitungsanlagen und -techniken werden auf dem Gelände bis zu 40 verschiedene Recycling-Baustoffe hergestellt. Dabei erreicht die Firma Feess eine Recyclingquote von bis zu 80%, bezogen auf das Ausgangsmaterial.
Nach dem herzlichen Empfang unserer Reisegruppe im Ausbildungszentrum in Kirchheim/Teck gab es zunächst eine theoretische Einführung in das Baustoffrecycling. Nach einer kleinen Stärkung ging es dann zu einem Rundgang über das Gelände, bei dem die verschiedenen Aufbereitungsanlagen vorgestellt wurden. Dabei konnten alle einen umfangreichen Einblick in das Thema Baustoffrecycling erhalten, bei dem keine Fragen offen blieben.
Am Ende nehmen wir alle mit, wie viel Potential in diesem Thema für die Baubranche steckt und wie drängend die Fragen zum Thema Baustoffrecycling sind, um den immensen Rohstoffbedarf der Baubranche auch in den kommenden Jahren noch decken zu können. An dieser Stelle noch einmal einen herzlichen Dank an die Firma Feess für die spannenden Eindrücke und die Führung über das Betriebsgelände.
Klimaneutrales Stadtquartier Esslingen
Am Nachmittag haben wir das klimaneutrale Stadtquartier „Neue Weststadt“ in Esslingen besucht. Aus mehr als 60 Bewerbern wurde dieses Vorhaben als eines von sechs städteplanerischen Leuchtturmprojekten ausgewählt, welche vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert werden.
Auf dem Gelände des alten Güterbahnhofs entstehen hier auf einer Fläche von 100.000 m² 450 neue Wohnungen, Büro- und Gewerbeflächen sowie ein Neubau der Hochschule Esslingen. Das Besondere des Projekts ist hierbei das Energiekonzept: Das Quartier integriert städtebaulich die Nutzung von Wasserstoff mit dem Ziel, einen jährlichen CO2-Ausstoß von unter einer Tonne pro Bewohner:in für Wohnen und Mobilität zu erreichen. Hierfür wandeln zwei Elektrolyseure überschüssigen Strom aus den lokalen Photovoltaikanlagen und aus überregionaler Erzeugung in grünen Wasserstoff um. Dieser kann bedarfsgerecht verschiedensten Verwertungen zur Substitution fossiler Energieträger zugeführt oder gespeichert werden. Zudem wird die Gesamteffizienz des Systems durch die Nutzung der Abwärme des Elektrolyseprozesses für die Wärmeversorgung gesteigert. Ergänzt wird die Energiezentrale durch ein Biomethan-Blockheizkraftwerk. Nach einer Führung durch die Innenhöfe der vier bereits erstellten Wohnblocks folgte ein spannender Einblick in die Energiezentrale des Stadtquartiers. Diese erzeugt jährlich 85 Tonnen grünen Wasserstoff, was in etwa dem Jahresstromverbrauch von 726 Drei-Personenhaushalten (= 2.800 MWh/a) oder 280.000 l Heizöl entspricht.
Wir bedanken uns herzlich bei den Mitarbeiter:innen der Stadt Esslingen am Neckar, die uns durch das Quartier geführt haben.
Tag 2, Stuttgart: Großprojekt Stuttgart21
Am Dienstag, den 06.06.2023 erstreckte sich unser Tagesablaufplan von neun bis 16 Uhr. Hierbei besichtigten wir den nahezu fertiggestellten Hauptbahnhof Stuttgart 21. Wir erhielten einen eineinhalbstündigen Vortrag eines zuständigen Tragwerksplaner vom Ingenieurbüro Werner Sobek und bekamen daraufhin beim Institut für Leichtbau, Entwerfen und Konstruieren der Universität Stuttgart einen kurzen Einblick in ihre Tätigkeiten.
Die Geschichte des Großprojekts Stuttgart 21 durften wir anhand einer fachlich sehr interessanten Führung im dafür eingerichteten Informationsturm kennenlernen. Die erste Vorstellung des Projekts reicht bis in das Jahr 1994 zurück. Daraufhin folgten 16 Jahre Planung und Diskussionen. Erst am zweiten Februar 2010 konnte mit dem Baubeginn gestartet werden, welcher von einigen öffentlichen Probleme begleitet wurde. Nach einem gescheiterten Bürgerentscheid gegen das Bauprojekt im Jahr 2011 wurde der zwischenzeitige Baustopp wieder aufgehoben. Das voraussichtliche Ende des Großprojekts Stuttgart 21 ist gegen Ende des Jahres 2025 geplant.
Beim anschließenden Vortrag des Tragwerksplaners wurde uns über verschiedenste Probleme bei der statischen Berechnung berichtet. Diese waren in den meisten Fällen Folgen der sehr gewagten Konstruktion. Denn die Deckenplatte soll von 28 sogenannten Kelchstützen, die in Sichtbeton ausgeführt wurden, gehalten werden.
Als dritten Punkt wurde uns durch zwei wissenschaftliche Mitarbeitenden Frau Schürmann und Herr Strahm, des oben genannten Instituts die Besonderheiten von adaptiven Strukturen genauer erläutert. Erwähnenswert ist die Überdachung des Münchner Olympiastadions, das hinsichtlich seiner statischen Besonderheit für die damalige Zeit ein sehr eindrucksvolles Pionierprojekt des Architekten Frei Otto war.
Tag 3, Sengenthal: Max Bögl Wind AG
Herr Werner Vorkauf begrüßte die Teilnehmer:innen herzlich und führte einen Vortrag über den Standort durch. Er erläuterte die Topographie, zu der Sandvorkommen, ein Steinbruch und ein Kanal, der einst von König Ludwig angelegt wurde, gehören. Zudem sprach er über die Erweiterung der Firmenanlage nach dem Zweiten Weltkrieg.
Im weiteren Verlauf des Vortrags gab es eine detaillierte Übersicht über das Firmengelände sowie Informationen über den Firmenvorstand und die verschiedenen Standorte des Unternehmens. Besonders betonte er die vielseitigen Ausbildungsmöglichkeiten und Berufe, die bei der Firma angeboten werden. Ein Schwerpunkt des Vortrags lag auf der Unternehmensstrategie. Dabei wurde die Industrialisierung hervorgehoben, die auf Kosten- und Zeiteffizienz abzielt. Ebenfalls wurde das Unternehmen als Technologie- und Innovationsführer im Bereich Bau+X präsentiert. Es wurden die Produktstrategie sowie die Leistungsbereiche des Unternehmens wie Mobilität, erneuerbare Energie, Wohnen, Hochbau, Infrastruktur und die Anwendung von BIM/Lean/StP erläutert.
Im Anschluss hatten die Studierenden die Möglichkeit, Fragen zu stellen und weitere Informationen zu erhalten. Zudem fand eine Sicherheitsunterweisung statt, um den Teilnehmer:innen ein Bewusstsein für die Sicherheitsrichtlinien des Unternehmens zu vermitteln.
Während der Werksführung erhielten die Teilnehmer:innen einen groben Überblick über das Firmengelände. Es wurden Bahnschienen gezeigt und es gab Einblicke in verschiedene Hallen, Flächen und Container, darunter Binder, Stützen und Windtürme.
Besonders interessant war die Produktion von Windturmbeton, bei der die Schleif- und Gießprozesse demonstriert wurden.
Zudem besichtigten die Teilnehmer eine Halle zur Stahlverarbeitung für Brücken sowie eine Lagerhalle für Kunststoffröhren und Montagearbeiten. Einen weiteren Einblick bot die Besichtigung der Bewehrungsproduktion. Insgesamt bot der Tag einen umfassenden Überblick über das Unternehmen, seinen Standort, die Unternehmensstrategie und die verschiedenen Produktionsbereiche.
Tag 4, Berlin: Bundesministerium für Klimaschutz und Wirtschaft, Ingenieurbüro ARUP, Deutscher Bundestag
Bundesministerium für Klimaschutz und Wirtschaft
Die erste Station in Berlin war am Donnerstagvormittag das Bundesministerium für Klimaschutz und Wirtschaft. Dort wurden wir freundlich empfangen und erhielten zunächst einen ausführlichen Einblick in den Aufbau und die Tätigkeiten und das Personal des Ministeriums. Anschließend gab es eine interessante Diskussionsrunde mit den vortragenden Referierenden. Hierbei ging es meist um Probleme und mögliche Maßnahmen für die Bauindustrie, sowie den zukünftig zunehmenden Einsatz von Technologie in der Branche.
Ingenieurbüro ARUP
Am Nachmittag waren wir beim Ingenieurbüro ARUP (über 10.000 Mitarbeitende) zu Besuch und erhielten einen informativen Vortrag über deren Projekte und Leistungsbereiche. Das Büro in Berlin ist eines von 92 in weltweit 37 Ländern. Das Leistungsspektrum von ARUP erstreckt sich von Tragwerksplanung, Technischer Gebäudeausstattung über Brandschutzplanung, bis hin zu Fassaden- und Lichtplanung und deckt somit nahezu alle großen Ingenieurdienstleistungen in der Baubranche ab.
Bei der Vorstellung der Projekte wurden verschiedene Problemstellungen im Bereich Statik und Fassade detailliert dargestellt und anschließend deren Lösungen erklärt. Dies reichte von Kunstwerken mit riesigen Bällen über Wohngebäude in Modulbauweise bis hin zu einem 100m x 100m x 100m Mischgebäude in Südkorea. Außerdem wurde gerade bei der Tragwerksplanung darauf geachtet, dass möglichst nachhaltige und recyclebare Baustoffe, wie Holz-Beton-Verbunddecken oder die Holzmodulbauweise, falls möglich, verwendet werden.
Vielen Dank ARUP für die interessanten Einblicke und Ihre Zeit!
Der Deutsche Bundestag
Die letzte Station war der Deutsche Bundestag. Der Plenarsaal, in dem neben dem Deutschen Bundestag auch die Bundesversammlung tagt, ist der größte Versammlungssaal im Reichstagsgebäude.
In der Mitte der Stirnseite befindet sich der Sitzungsvorstand mit dem Bundestagspräsidenten bzw. seinem Vertreter und zwei Schriftführern, dahinter der Direktor beim Deutschen Bundestag und die Mitarbeiter des Plenarassistenzdienstes. Vom Sitzungsvorstand aus auf der linken Stirnseite befinden sich der Sitz des Wehrbeauftragten und die Bundesratsbank, auf der rechten Seite die Regierungsbank. Der jeweils dem Präsidium nächstgelegene Platz ist dem Bundeskanzler und dem Bundesratspräsidenten vorbehalten. Hinter dem Pult des Präsidiums stehen die Bundes- und die Europaflagge unter dem großen, 2,5 Tonnen schweren Bundestagsadler.
Wir bekamen eine Führung durch den Plenarsaal, anschließend war die Dachterrasse mit Ausblick auf die Reichstagskuppel für uns geöffnet. Diese ist rund 23 Meter hoch und 40 Meter breit und wurde im Jahr 1999 konstruiert. Der Architekt Sir Norman Foster hat die Konstruktion aus Stahl und Glas zusammen mit Fachingenieuren entworfen und sich damit erfolgreich gegen andere Entwürfe durchgesetzt: Der Ältestenrat des Deutschen Bundestages entschied sich im Frühjahr 1995 für diese moderne Version einer Kuppel. Die europaweite Ausschreibung für den Bau der Konstruktion gewann die Arbeitsgemeinschaft Reichstagskuppel. Sie stellte das Bauwerk bis auf wenige Restarbeiten kurz vor der Jahrtausendwende fertig.
Tag 5, Berlin: Bauprojekt AERA
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