Auswirkungen des Klimawandels auf Hangrutschungen
Projektbeschreibung
Der Klimawandel und dessen Auswirkungen haben Einfluss auf die unterschiedlichsten Bereiche der Umwelt. In Deutschland hat sich die Lufttemperatur von 1881 bis 2019 im Jahresmittel um 1,6° erwärmt, zehn der fünfzehn wärmsten Jahre traten in diesem Zeitraum im 21. Jahrhundert auf. Das Jahr 2018 war das sonnigste und zugleich niederschlagsärmste Jahr. Durch die Klimaerwärmung steigt im Allgemeinen die Häufigkeit von extremen Witterungsereignissen, darunter auch lokal auftretende Starkniederschlagsereignisse.
Neben den direkten Auswirkungen wie Hochwasser, wirken Klimaveränderungen auch auf die hydrogeologischen und geotechnischen Randbedingungen im Boden. So können durch Veränderungen im Wasserhaushalt u.a. auch die Bodenparameter beeinflusst werden. Dies führt zu einer Zunahme von gravitativen Naturgefahren und Massenbewegungen, wie Rutschungen und Sturzereignissen. Mit Blick auf die internationalen Zahlen steht fest, dass die Anzahl von Erdrutschen in den letzten Jahrzehnten gestiegen ist. Leider sind damit oft auch Todesopfer zu beklagen. Zwischen 2004 und 2010 sind über 80.000 Todesfälle infolge von Erdrutschen gemeldet.
In welchem Umfang die Zahl und der Schadensumfang von Erdrutschen tatsächlich klimabedingt steigt, ist schwer zu erfassen. Aufgrund fehlender, nicht einheitlich erfasster oder nicht flächendeckend zur Verfügung stehender Daten können Teilprozesse und Ursachen permanenter und spontaner Rutschungen oft nicht untersucht werden. Der gesamte, dreidimensionale Prozess einer Hangrutschung ist äußerst komplex und mit den klassischen Nachweisverfahren im Bereich der Geotechnik kaum in Gänze herzuleiten.
Beteiligte Personen
Prof. Dr. Jens Gattermann
Sonia González
Mareile Hertel
Julia Siglreitmaier
Dominik Wegst
Ablauf und Ergebnisse
Sonia González, Mareile Hertel, Julia Siglreitmaier, Dominik Wegst – alle Studierende im Masterstudiengang Bauingenieurwesen haben im Rahmen eines interdisziplinären Projektes die Herausforderung angenommen, den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Massenbewegungen zu beleuchten. In diesem Zuge soll die Frage beantwortet werden, ob und in welcher Form sich durch den Klimawandel die geotechnischen Randbedingungen ändern und ob es tendenziell zu einer Zunahme an Rutschungen kommt.
Hierbei wurden zunächst zahlreiche Klimadaten ausgewertet und neben den Veränderungen der Temperatur vor allem die Art und Häufigkeit von Regenereignissen intensiv ausgewertet. Zudem wurden die vorhandenen Daten zu aufgetretenen Erdrutschen erfasst und die dabei aufgetretenen Schadensmechanismen, soweit bekannt, klassifiziert. Aufgrund der Vielzahl an Daten war eine regionale Einschränkung notwendig.
In einem weiteren Schritt wurde auf Grundlage bestehender geotechnischer Modelle versucht, den Einfluss von Klimaveränderungen auf den hydrogelogischen und geotechnischen Randbedingungen für die einzelnen Modelle anzuwenden. Hierbei wurden eine ganze Reihe von Einflussfaktoren, wie die Niederschlagsmenge und Intensität, die Infiltrationsrate, die Sättigung des Bodens und die Veränderlichkeit der mechanischen Bodenparameter auf zwei Nachweisverfahren für die Standsicherheit von Hängen angewendet und exemplarisch für verschiedenen Böden und Geländeformationen untersucht.
Hierbei zeigte sich, dass die bestehenden Modelle nur eingeschränkt klimatische Veränderungen abbilden können und die Rechenansätze für größere Hangrutschungen meist stark vereinfachte Annahmen von Umgebungsbedingungen beinhalten. Zudem ist der Zusammenhang zwischen Regenereignissen und den daraus resultierenden Bodenparametern nicht vollständig erforscht. In weiteren Schritten wurden daher sogenannte mechanisch-hydrologische Modelle betrachtet, bei denen die versickernde Niederschlagsmenge mit einbezogen wird, die nötig ist, um den Sicherheitsfaktor konkreter zu bestimmen.
So sind u.a. bei Hangstabilitätsanalysen auch die Porenwasserdrücke über dem Wasserspiegel sowie die Wirkung des Matrixpotentials auf die Theorie der teilgesättigten Böden und der damit verknüpften Scherfestigkeit der Böden zu betrachten. Diese Ansätze werden in der klassischen Bodenmechanik derzeit kaum berücksichtigt. Gerade im Hinblick auf Hangstabilitätsfragen sollte Porenwasserspannung berücksichtigt werden. Anhand von Beispielen konnte der Einfluss des Matrixpotentials im Hinblick auf die Lage der kritischen Gleitfläche und dem Sicherheitsniveau bzw. der Standsicherheit von Hängen aufgezeigt werden. Die Beurteilung eines Hanges kann durch den Ansatz der infiltrierten Wassermenge und des damit verbundenen Matrixpotentials zu anderen, sicherheitsrelevanten Ergebnissen führen.
Im Rahmen des Projektes zeigte sich, dass in der Entwicklung befindliche komplexe Modelle auf Basis von Finiter-Elementen viele der angesprochenen Einflussfaktoren berücksichtigen können. So erscheint eine genauere Berechnung von Hangstabilität und ggf. Verschiebungsraten möglich. Allerdings fehlen zur flächenhaften Anwendung zahlreiche Datengrundlagen und Informationen, die u.a. nur durch umfangreiche Baugrunderkundungen zu erlangen sind.
Zusammenfassung
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Zusammenhang zwischen Klimawandel und Massenbewegungen aufgrund bestehender Wissensdefizite noch nicht vollends nachvollziehbar ist. Unabhängig von der Qualität der zugrunde zu legenden Klimamodelle sind die Auswirkungen auf den Wasserhaushalt im Untergrund bzw. auf die Böden und deren Parameter aufgrund einer Vielzahl an Variablen und der komplexen Interaktion nur schwer erfassbar.
Zudem sind die Modelle selbst, sowie die aus den in Modellen angewendeten, empirisch ermittelten Parametersätze mit Unsicherheiten behaftet. Umso höher die Anzahl der in die Wirkungsanalyse einzubeziehenden Parameter ist, desto schwieriger ist ein direkter Zusammenhang zwischen Klimaveränderungen und der Wahrscheinlichkeit von Massenbewegungen zu formulieren und verständlich zu machen, da die Resultate verschiedener Modellketten eine große Spannbreite aufweisen.
Belastbare Vorhersagen, in welchem Ausmaß Extremwettereignisse stattfinden, die zu einem konkreten Schadensereignis in Form von Rutschungen und Sturzereignissen führen, sind bisher kaum möglich. Zudem ist zu berücksichtigen, dass Wetterereignisse nicht getrennt zu betrachten sind, sondern auch als Prozessketten und -kombinationen, also Abfolgen von verschiedenen, zeitlich hintereinander gestaffelten und gekoppelten Prozessen zu betrachten sind. Folgen beispielsweise Starkregenereignisse auf langanhaltende Niederschlagsperioden, kann dies zu Verstärkungseffekten führen, da der Boden dann u.a. schon ein höheres Sättigungsniveau hat als nach Trockenperioden und die Wahrscheinlichkeit von Veränderungen im Boden und damit zu Massenbewegungen steigt.