Felssturzgefahr in den Loferer Steinbergen
Masterarbeit von Isabella Bosch und Max Hildebrand
Studiengang
Bauingenieurwesen (M.Eng.)Projektbeschreibung
Vom Lofer Hochtal zur von-Schmidt-Zabierow-Hütte in den Loferer Steinbergen verläuft ein Wanderweg des Deutschen Alpenvereins, der im unteren Bereich den Fuß einer steilen Felswand passiert, der Schwarzwand (Abb. 2). Da entlang dieses Wegabschnittes vermehrt Spuren abgegangener Steinschläge aufgefunden wurden, gab der DAV den Anstoß, eine geotechnische Untersuchung der Schwarzwand im Rahmen eines Hochschulprojektes durchzuführen.
Beteiligte Personen
- Prof. Dr. Jens Gattermann und Prof. Dr. Reinhold Weber (Betreuung)
- Isabella Bosch und Max Hildebrand
- Joe und Patrick Weiser (Fa. weiser print&wrap, Leipheim)
Isabella Bosch und Max Hildebrand – beide Studierende im Masterstudiengang Allgemeiner Ingenieurbau an der Fakultät für Architektur und Bauwesen der Hochschule Augsburg – nahmen diese Herausforderung an und führten im Rahmen ihrer Masterarbeit die Vermessung und geotechnische Untersuchung der Schwarzwand durch. Bei der Vermessung und Kartierung kam das berührungslose Messverfahren der luftgestützten Photogrammetrie mit Hilfe des hochschuleigenen Oktokopters HT-8 (Abb. 3) zum Einsatz.
Für die exakte Kartierung der Aufnahme war es nötig, quer über die Felswand Festpunkte aus farblichen Meißelzeichen zu setzen, wofür die Kenntnisse von Frau Bosch und Herrn Hildebrand in der alpinen Kletter- und Sicherungstechnik von Vorteil waren (Abb.4).
Mit den Programmen PhotoScan Professional und Pix4Dmapper wurden im Nachgang aus den Aufnahmen vor Ort zwei voneinander unabhängige 3D-Abbildungen der Schwarzwand erzeugt und zur Validierung der Ergebnisse verglichen.
Der 3D-Drucker der Fakultät für Architektur und Bauwesen erstellte schließlich ein maßstabsgetreues physikalisches Modell der Felswand, das in Kooperation mit einer Spezialfirma für die Folierung von Automobilen (weiser print&wrap, Leipheim) mit einer aus den angepassten Fotografien der Photogrammetrie erstellten Bildfolie überzogen wurde (Abb. 5).
Diese innovative Art der Modellgestaltung wurde erstmalig an der Hochschule Augsburg durchgeführt, und könnte auch wegweisend für die künftige Gestaltung z. B. von Architekturmodellen sein.
Auf Basis des digitalen 3D-Modells und der Geländebefunde erfolgte als erster Schritt zur Analyse der Felswand die geologische Betrachtung des Anbruchgebietes. Dabei wurde der Vorteil des verwendeten photogrammetrischen Messverfahrens deutlich, da eine konventionelle, terrestrische Kartierung der höheren Lagen der Schwarzwand vom Wandfuß aus nicht möglich gewesen wäre.
Mit Hilfe des 3D-Modells konnten die Schichtungen des anstehenden Gesteins sowohl in ihrer Orientierung als auch in ihrer Mächtigkeit bestimmt werden. Das sogenannte Lofer-Zyklothem, eine Abfolge von massiven Kalksteinbänken mit Zwischenschichten aus Algenmatten, konnte anhand der detailscharfen Modellierung eindeutig als vorherrschender Gesteinsaufbau bestätigt werden (Abb. 6).
Als zweiter Schritt erfolgte eine geotechnische Untersuchung der Felswand. Dabei konnten über die Auswertung von Rissbildern, die Schichtstellungen im Raum, und verschiedene Berechnungen zu Gleitkörpern mehrere mögliche Abbruchmechanismen erörtert werden.
Aus den einzelnen Theorien kristallisierten sich jedoch bald zwei maßgebliche Versagensarten heraus, die zu Sturzprozessen führen könnten: einerseits könnte es durch die Verwitterung der Zwischenschichten zu kleineren Steinschlägen kommen, andererseits könnten sich aber auch entlang der Trennflächen vereinzelt Teile des Kalksteins ablösen und zu Blockschlag oder Felsstürzen führen (Abb. 7).
Nach der Analyse von möglichen Auslösern und potenziellen Abbruchstellen erfolgte eine Steinschlagsimulation mittels der Software RAMMS:ROCKFALL (Abb. 8). Aus den statistischen Berechnungen konnten weiterhin Energien und Sprunghöhen von möglichen Fallkörpern ermittelt werden. Die Simulationsergebnisse halfen schließlich dabei, die Gefährdung des Wanderweges einzuschätzen.
Da ein erhöhtes Verletzungsrisiko für Wanderer durch die berechneten Energien möglicher Abbruchkörper im betrachteten Wegabschnitt nachgewiesen werden konnte, wurden am Ende der Masterarbeit von Frau Bosch und Herrn Hildebrand mögliche Schutzmaßnahmen für den Wanderweg zur von-Schmidt-Zabierow-Hütte untersucht und diskutiert.
Dabei stellten sich zwei Varianten als Vorzugslösungen heraus. Eine erste Sicherungsmaßnahme könnte die abschnittsweise Installation von Steinschlagschutznetzen sowie eine lokal begrenzte Aufforstung in Kombination mit einer fortlaufenden Überwachung der Sturzaktivitäten darstellen (Abb. 9).
Die zweite Variante wäre die Verlegung des vorhandenen Wanderwegs auf die gegenüberliegende Talseite – dazu wurde eine günstige Trassierung des Wegeneubaus erarbeitet (Abb. 10).
Durch die Ergebnisse der Masterarbeit von Isabella Bosch und Max Hildebrand werden dem Deutschen Alpenverein sowohl eine präzise 3D-Kartierung in digitaler und physikalischer Form für die weitere Überwachung der Felssturztätigkeiten an der Schwarzwand als auch ingenieurgemäß untersuchte Vorschläge zu Schutzmaßnahmen für den Wanderweg zur von-Schmidt-Zabierow-Hütte übergeben.
Im Rahmen der Arbeit konnten neue Methoden zur Kartierung von geotechnischen Aufnahmen erarbeitet und deren fotorealistischer Darstellung in einem folierten, maßstabsgetreuen Modell erprobt werden. Bestehendes Wissen über die Abbruchmechanismen an Felswänden wurde hinterfragt und neu angewendet.
Die weiterführende und abschließende Bewertung des sich ständig verändernden, aktuellen Steinschlagrisikos am Wanderweg auf der Basis der Ergebnisse der Masterarbeit muss jedoch gutachterlich erfolgen, und ist im Rahmen einer Masterarbeit nicht möglich bzw. zulässig.
An dieser Stelle möchten wir, Isabella Bosch und Max Hildebrand, uns noch einmal recht herzlich bei Xaver Wankerl vom DAV für das spannende Thema, unseren „Herbergs- und Hüttenmüttern“ Frau Hollaus und Frau Filzer für die Unterkunft und prima Verpflegung, und schließlich bei Herrn Dr. Karl-Heinz Krause sowie Herrn Dr. Andreas von Poschinger vom Bayerischen Landesamt für Umwelt für die wissenschaftliche Unterstützung zum Thema Georisiken bedanken – ohne Sie wäre unsere Forschungsarbeit so nicht möglich gewesen.