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Schadensvermeidung in der Geotechnik - Vermeiden von Böschungsrutschungen

Forschungsvorhaben für das BMVI erfolgreich abgeschlossen

 
24.05.2023

In einem gemeinsamen Forschungsvorhaben des Grundbaulabors der Hochschule Augsburg und der Dr. Spang Ingenieurgesellschaft für Bauwesen, Geologie und Umwelttechnik mbH in Witten wurde der Einfluss von temporär auftretendem Grundwasser auf die Standsicherheit von Straßeneinschnittsböschungen untersucht.

 

Mittels Auswertung zahlreicher Schadensfälle, numerischen Berechnungen und der Durchführung von Labor-, Feld- und Großversuchen konnten die Mechanismen eines wasserinduzierten Böschungsversagens beschrieben und charakteristische Baugrundkonfigurationen identifiziert werden, bei denen Standsicherheitsprobleme zu erwarten sind. Des Weiteren konnten Verfahren bzw. Methoden zur Erkennung von grundwasserführenden Schichten und potentiellen Schichtwasservorkommen entwickelt werden, die im Zuge einer Baugrunderkundung durchgeführt werden können. Hierauf aufbauend wurden Empfehlungen zur Durchführung von Baugrunderkundungen und ggf. zusätzliche Erkundungsmaßnahmen oder -methoden erarbeitet, mit denen kritische Baugrundkonfigurationen bereits im Vorfeld erkannt werden können.


Ursachen von Böschungsversagen

Bei der Herstellung von Einschnitten bzw. Böschungen können unerwartete Rutschungen bzw. Geländebrüche auftreten. Tritt dies während der Bauausführung auf, werden Arbeitsunterbrechungen zur Erkundung der Ursachen sowie anschließende Sanierungsmaßnahmen notwendig. Ein Böschungsversagen kann viele Ursachen haben, häufig ist jedoch eine nicht zutreffende Einschätzung der Grundwasser- / Schichtwasserverhältnisse ursächlich.

Diagramm 1
Diagramm
Diagramm 2
 

Darüber hinaus können durch temporär veränderliche Wasserverhältnisse auch sekundäre Effekte, wie zum Beispiel reduzierte Scherparameter hervorgerufen werden. Durch die fehlerhafte oder unzureichende Erfassung der oben genannten Einflüsse können sich bei der Planung Ausführungsvarianten ergeben, die ein nicht ausreichendes Sicherheitsniveau aufweisen bzw. sogar zum Versagen führen können.

Unter Berücksichtigung der üblichen Berechnungsverfahren für die Standsicherheit von Böschungen sind u.a. folgenden Einflüsse auf die Standsicherheit zu nennen:

  • direkte Einwirkungen aus strömendem oder stauendem Wasser in wasserführenden Baugrundschichten wie Porenwasserüberdruck, Strömungsdruck, Wasseraufstau
  • indirekte Einwirkungen, die sich aus der Einwirkung von Wasser ergeben; zum Beispiel Veränderungen der Scherparameter infolge Aufweichen von einzelnen Bodenhorizonten

Diese Einflüsse auf die Standsicherheit von Böschungen können durch verschiedene Faktoren bzw. Randbedingungen noch zusätzlich verstärkt werden. Hier sind neben den üblichen Böschungsparametern wie Höhe und Neigung u.a. die folgenden Aspekte hervorzuheben:

  • Neigungen von einzelnen Horizonten innerhalb des Böschungskörpers in Richtung des Böschungsanschnitts;
  • Mächtigkeit gering bzw. stark durchlässiger Horizonte;
  • Bodenarten mit stark veränderlichen Scherparametern.
Diagramm 3

Auswertung von Schadensfällen

Um die maßgeblichen Einflüsse von temporär auftretendem Grund- oder Schichtwasser auf die Böschungsstandsicherheit quantifizieren zu können, wurden zunächst zahlreiche Schadensfälle untersucht. Die untersuchten Schadensfälle zeigten, dass Schäden häufig bei Vorhandensein von dedizierten Scherflächen auftreten bzw. das Versagen auf meist bindigen, aufgeweichten Zonen von Schichtgrenzen stattfindet. Dies deutet nicht nur auf ein temporäres Abfließen von Wasser auf Schichtgrenzen mit Durchlässigkeitsunterschieden hin, sondern auch auf eine gewisse Einwirkzeit des Wassers in der Böschung.

Bei der Beschreibung größerer Schichtpakete hat sich im Zuge der Felduntersuchungen herausgestellt, dass es nicht ausreichend ist, die Begrifflichkeit „Wechsellagerung“ zu verwenden. Vielmehr wird eine feingliedrige Betrachtung der einzelnen Schichtglieder bzw. deren Erstreckung und Neigung erforderlich. Bei einigen der für dieses Forschungsvorhaben ausgewählten Projekte konnten auf diese Weise eine Wasserführung auf bindigen Schichtgliedern sowie korrespondierende Wasseraustritte aus der Böschung in Zusammenhang gebracht werden.

 

Labor- und Großversuche

Im Rahmen des Forschungsvorhabens wurden Labor-, Feld- und Großversuche bzw. sogenannte Technikumsversuche durchgeführt. In den Laborversuchen konnten die Einflüsse der Wassersättigung auf die Scherparameter des Bodens ermittelt werden. An ausgewählten Schadensfälle konnten mittels der durchgeführten Feldversuche die Schadensmechanismen verifiziert werden. Ein wesentlicher Bestandteil des Forschungsvorhabens waren die an der THA durchgeführten Technikumsversuche. Hiermit konnten an Versuchsböschungen verschiedene Einflussgrößen, wie Durchströmung, Wasseraufstau und Bewässerungsrate variiert werden und die Auswirkungen mit verschiedenen Messverfahren aufgenommen werden.

Messung Hangrutschung
 

So konnte beispielsweise infolge eines simulierten Aufstaus in einer Schicht und des damit ausgelösten erhöhten Drucks auf die Andeckung, stellenweise eine erhebliche Durchfeuchtung mit Anzeichen eines beginnenden Böschungsversagens festgestellt werden. Ferner konnten auch Effekte wie Ausschwemmung bzw. Erosion bei entsprechend hohen hydraulischen Gradienten festgestellt werden. Die Veränderung des Wassergehaltes und damit auch der Scherparameter in bindigen und an wasserführende Schichten angrenzenden Böden konnte sowohl in den Technikums- wie in den Laborversuchen bestätigt werden.

Begleitende numerische Berechnungen

Begleitet wurde die durchgeführten Versuche und Schadensanalysen durch numerische Simulationen mit denen die verschiedenen Einflüsse und die die damit induzierten Auswirkungen nachgebildet wurden. Mit Hilfe von ergänzenden Parameterstudien konnte dabei der Einfluss einzelner Faktoren detailliert untersucht werden. So zeigen numerische Berechnungen, bei denen verschiedene direkte und indirekte Einflüsse aus strömendem oder stauendem Wasser in wasserführenden Schichten untersucht worden sind, dass eine Durchströmung von einzelnen Schichten einer Böschung nur zu einer mäßigen Verringerung der Standsicherheit führen. Ebenfalls haben geringfügige Abminderungen der Scherparameter nur einen untergeordneten Einfluss auf die Standsicherheit der Böschung und wirken sich erst bei großen Abminderungen aus.

Zu einem deutlichen Einfluss auf die Standsicherheit kommt es jedoch bei einem Aufstau von Schichtwasser in einzelnen Horizonten, der zum Beispiel durch eine undurchlässige Böschungsandeckung ausgelöst werden kann und wird noch verstärkt, wenn es aufgrund von Durchnässungen zu einer Abnahme von Scherparametern kommt.

Werden numerischer Strömungsberechnung mit konventionellen Standsicherheitsberechnungen kombiniert, lassen sich Standsicherheitsdefizite unter Berücksichtigung von Schichtwasservorkommen damit relativ gut prognostizieren.

Erkennen von temporär auftretendem Grundwasser

Auftretendes Grundwasser wird in der Geotechnik meist in Grundwassermessstellen oder über Tensiometer gemessen. Bei Vorhandensein von geschlossenen Grundwasservorkommen ist dies recht zuverlässig ausführbar, bei temporär auftretenden Schichtwasservorkommen sind jedoch grundsätzlich andere Anforderungen gegeben, da Höhenlage und Mächtigkeit zumeist unbekannt sind. Als Alternative zu den direkten Messverfahren können indirekte Messverfahren mit Feuchtemesssensoren eingesetzt werden.

 
wasserinduziertes Böschungsversagen
Böschungsquerschnitt
 

Indirekte Messverfahren messen nicht das Wasser selbst, sondern vom Wasser abhängige Substanzeigenschaften und bedürfen zur Herstellung eines funktionalen Zusammenhangs zwischen gemessenem Signal und dem Wassergehalt einer Kalibrierung. Als geeignetes Verfahren ist das Mikrowellen-Verfahren anzusehen. Der Einsatz von Mikrowellensonden im Rahmen von Baugrunderkundungen erscheint derzeit aufgrund der Konfiguration des Messaufbaus und notwendiger Modifikationen nur eingeschränkt möglich. Das Verfahren weist jedoch ein großes Potential für die Detektion von Wassergehaltsänderungen im Baugrund auf. Sofern die Messtechnik aber für den Einsatz im Rahmen von Baugrunderkundungen weiterentwickelt wird, wären Indexmessungen bzw. Zeitreihen mit der Entwicklung des Wassergehaltes gut realisierbar und könnten Hinweise auf zeitweise wasserführende Schichten liefern.

Handlungsempfehlungen für die Praxis

Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse wurden Empfehlungen zur Erkundung aufgestellt, um kritische Baugrundkonstellationen ermitteln zu können. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um Aspekte wie die detaillierte Betrachtung von Wechsellagerungen, Ausführung großkalibriger Kernbohrungen, Untersuchungen der Veränderlichkeit des Gesteins, Abschätzung der Fließgefährdung. Ebenso wurden Empfehlungen erarbeitet, die wesentliche Aspekte benennen, welche im Rahmen der Planung zu berücksichtigen sind. Dabei sind insbesondere die Empfehlungen des Baugrundgutachtens sorgfältig auszuwerten. Die Ergebnisse der Standsicherheitsberechnungen sind mit dem geotechnischen Bericht zusammenzuführen. In den Standsicherheitsberechnungen sind die Porenwasserdrucklinien in möglichen Schichtwasserhorizonten zu berücksichtigen, ggf. werden Variationsrechnungen erforderlich.

Schlußbemerkungen

Diesem Kurzbeitrag liegen Teile des im Auftrag des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr, vertreten durch die Bundesanstalt für Straßenwesen, unter FE 05.0195/2016/MGB laufenden Forschungsvorhabens zugrunde.

Quellen:

DENNE, FESTAG, GATTERMANN (2023): FE 05.0195/2016/MGB Einfluss von temporär auftretendem Grundwasser auf die Standsicherheit von Straßeneinschnittsböschungen; Bericht zum Forschungsvorhaben im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), vertreten durch die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt).

Ansprechpartner

Prof. Dr.- Ing. Jens Gattermann

Architektur und Bauwesen

Telefon: 

+49 821 5586-3144