Projektbeschreibung
Für den Einsatz im Bauwesen wird im Rahmen des vom BMBF geförderten Forschungsprojektes „Bio-Board“ eine aus Mikroorganismen generierte Werkstoffplatte (Bio-Board) entwickelt, deren Eigenschaft auf die spezifische Einbausituation mittels gesteuerter Wachstumsprozesse angepasst werden soll. Neben verbesserten mechanischen Eigenschaften und der Geometrie- und Maßstabsunabhängigkeit ist vor allem der wachstumsbasierte und damit energiearme Herstellungsprozess von großflächigen Materialien besonders innovativ.
Biobasierte Werkstoffe tragen zur Reduktion der Grauen Energie bei
Am globalen Energie- und Ressourcenverbrauch, den Emissionen und der Müllerzeugung trägt das Bauwesen einen maßgeblichen Anteil. Bisherige Forschungsvorhaben und Programme zur Ressourcenschonung konzentrieren sich im Wesentlichen auf die Reduktion des Energieverbrauchs von Gebäuden während der Nutzungsphase. Die zur Herstellung und zum späteren Rückbau von Baustoffen benötigte „Graue Energie“ wird bisher noch unzureichend bilanziert, obwohl der Anteil bei heutigen Passivhäusern bei bis zu 50 % der Betriebsenergie der gesamten Nutzungsphase liegt. Biobasierte Werkstoffe tragen zur Reduktion der Grauen Energie bei und eröffnen eine Chance für die Bioökonomie, in einen der weltweit größten Wirtschaftsmärkte Einzug zu halten.
Technische Limitation
Bei heute verwendeten biobasierten Werkstoffen werden meist Naturfasern aus Pflanzen extrahiert und industriell zu neuen Werkstoffen zusammengesetzt. Sowohl die Extraktion der Fasern, das Aufreinigen als auch die erneute Komposition erfordern einen nicht unerheblichen Energieaufwand. Von viel größerer Bedeutung ist jedoch die technische Limitation, sehr dünne Fasern entlang den einbauspezifischen Hauptspannungstrajektorien auszurichten und gewünschte Faserdichtegradienten im Material zu erzeugen. So könnte die Leistungsfähigkeit des Materials erhöht, und damit der Materialverbrauch und die dem Material inhärente Graue Energie reduziert werden. Hier setzt das Forschungsvorhaben unter der Federführung der Hochschule Augsburg an.
Biotechnologische Verfahren
Eine große Anzahl von Mikroorganismen produzieren extrazelluläre Matrices mit teilweise hohen Faseranteilen, deren mechanische Eigenschaften eine große Bandbreite aufweisen. Diese Eigenschaften können über biotechnologische Verfahren adaptiert oder weiter optimiert werden. Mechanosensitive Organismen haben die Fähigkeit, ihre Fasern entlang von voreingestellten Spannungsfeldern auszurichten. Bei phototrophen Organismen kann die Faserausrichtung über Licht gesteuert werden. Andere Mikroorganismen lassen ihr Wachstum über die Nährmedium- oder Gasversorgung steuern.
Interdisziplinäres Forschungsteam
Das interdisziplinär zusammengestellte Forschungsteam beschäftigt sich mit der Identifikation geeigneter Mikroorganismen, der optimalen Nährmedium-Zusammensetzung für diese Mikroorganismen, der Ökobilanzierung der gewachsenen Materialien, der Optimierung von Kulturbedingungen (Bioreaktorsystem) und der Materialtestung der generierten Werkstoffe.
Aerosolbaiertes Bioreaktorsystem
Das in den vergangenen Jahren von Prof. Schmidt zusammen mit der Universität Tübingen entwickelte aerosolbasierte Bioreaktorsystem eignet sich hierbei besonders, da mit dessen Hilfe eine Unabhängigkeit in Geometrie und Größe der Kultur erreicht werden kann. Der Nährmediumbedarf kann mit dieser fein dosierbaren Technologie darüber hinaus erheblich reduziert werden.
Ergebnis
Im Rahmen der Untersuchungen konnten mehrere Millimeter bis wenige Zentimeter dicke Cellulose-Vliese von Bakterien generiert werden, welche früher oder später holzbasierte Werkstoffplatten oder WPCs ersetzen könnten. Die für das Wachstum optimierten Medienzusammensetzungen werden derzeit im Rahmen einer Masterarbeit auf ihre Ökobilanz hin überprüft.
Die Aerosoltechnologie wird noch weitere Forschungsarbeiten in Anspruch nehmen, um sie langfristig stabil im Bioreaktor zu etablieren. Erste Reaktoren können aber schon über die gesamte Kulturdauer von ca. einem Monat betrieben werden. Spannende Ergebnisse brachten vor allem Co-Kultivierungen mit unterschiedlichen Mikroorganismen.
Ausblick
Die von unterschiedlichen Mikroorganismen gebildeten Fasern sollen so kombiniert werden, dass beispielsweise Faserverbünde als Immobilisierungsmatrix für weitere Bakterien oder Pilze dienen, welche wiederum eine eigene extrazelluläre Matrix bilden und so einen Verbundwerkstoff generieren.
Hochleistungswerkstoffe sind meist Verbundmaterialien aus ein oder mehreren Fasern und einer entsprechenden Matrix. Aufeinanderfolgende Kulturverfahren, Co-kulturen oder Kombinationen mit bereits etablierten Matrices (z.B. Harze) können das angestrebte Produkt und dessen gewünschte Eigenschaften exakt auf die spezifische Einbausituation anpassen.
Beteiligte Personen
Prof. Dr. sc. hum. March. Dipl.-Ing. Timo Schmidt
Hochschule Augsburg
Fakultät für Architektur und Bauwesen
Telefon +49(0) 8215586-3170
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Fachgebiete
Fassadentechnologie und Design
Forschungsgebiete
- Fassadentechnologie
- Bioreaktorsysteme
- Biobasierte Werkstoffe
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