Assistenzsystem in der Lernfabrik
Projektbeschreibung
AugmentedReality unterstützt Instandhalter in vernetzter Produktionsumgebung
Stehen in einer komplexen Arbeitsumgebung zukünftig weniger Fachkräfte zur Verfügung, so müssen diese ein breiteres Aufgabenspektrum bearbeiten. Assistenzsysteme können bei der Bearbeitung unbekannter Aufgaben und Probleme unterstützen. Dieser Beitrag beschreibt den Prototypen eines Assistenzsystems für Maschinenbediener und Instandhalter, die ein Mechatronik-Trainingssystem in der Lernfabrik für vernetzte Produktion des Fraunhofer IGCV in Augsburg instandsetzen müssen. Dieses Assistenzsystem nutzt eine kognitive Architektur zur Entscheidungsfindung und verwendet ein Augmented Reality Headset zur Interaktion mit dem Bediener.
Ziel des gemeinsamen Forschungsvorhabens der Hochschule Augsburg und des Fraunhofer IGCV war die Entwicklung eines Assistenzsystems, das einen ungelernten Maschinenbediener im Produktionsumfeld dabei unterstützt, verschiedene Anlagen in Betrieb zu nehmen und instand zu halten.
Lernfabrik
In der Lernfabrik für vernetzte Produktion des Fraunhofer IGCV stehen diverse Anlagen zur Verfügung, um innovative Lösungen im Umfeld von Industrie 4.0 erproben und demonstrieren zu können. Im Rahmen des Projekts wurden eine Drehmaschine, ein Drucker sowie schwerpunktmäßig ein Mechatronik-Trainingssystem betrachtet.
Letzteres ist als Produktionslinie aus drei Einzelstationen ausgeführt, die eine Würfelmontage durchführen, indem sie Einzelteile aus einem Magazin entnehmen, verpressen und in einem Hochregallager ablegen. Jede Einzelstation verfügt über eine speicherprogrammierbare Steuerung (SPS), mit der Zustände abgefragt und Aktionen ausgelöst werden können und auf die im internen Netzwerk zugegriffen werden kann. Zur Inbetriebnahme dieser Produktionsanlage müssen an jeder Station mittels Bedieneraktionen definierte Zustände eingestellt werden (z.B. „Steuerungen online“, „Druckluft anliegend“).
Assistenzsystem
Das entwickelte Assistenzsystem führt den Bediener ausgehend von einem beliebigen Anlagenzustand durch die notwendigen Bedienschritte, um die Anlage wieder in den produktiven Zustand zu versetzen. Dies kann vom abgeschalteten Zustand oder von einem durch eine Störung verursachten Zustand aus erfolgen. Hierzu werden dem Bediener mit Hilfe des Augmented Reality Headsets Hololens akustisch und optisch Anweisungen direkt an der Anlage ausgegeben, die ihn bei der Ausführung der nächsten Aktion (z.B. Änderung der Schlüsselstellung) unterstützen.
Um eine sinnvolle nächste Aktion auswählen und anzeigen zu können, muss das Assistenzsystem die aktuell an der Anlage vorherrschende Situation erfassen und bewerten können und zudem Wirkzusammenhänge zwischen Aktionen und Zuständen kennen.
Die Situationserfassung erfolgt durch kontinuierliches Auslesen der Zustandsvariablen der SPSen der Anlage. Eine Bewertung wird vorgenommen, indem die Ähnlichkeit des ausgelesenen Zustands mit bekannten Anlagenzuständen ermittelt wird, welche dem System im Vorfeld von erfahrenen Maschinenbedienern antrainiert wurden. Zudem kennt das Assistenzsystem alle möglichen Bedienaktionen, wobei für jede Aktion hinterlegt ist, welche Zustandseigenschaften sie in welcher Weise verändern kann.
Realisierung
Der Kern des Assistenzsystems zur situationsabhängigen Entscheidungsfindung wird auf Basis der kognitiven Architektur Soar implementiert. Diese stellt grundlegende Mechanismen zur Problemlösung bereit, so dass lediglich das applikationsspezifische Wissen in Form von Regeln modelliert werden muss. Soar wendet die Regeln auf die interne Repräsentation des aktuellen Zustands an, wodurch sich das Systemverhalten ergibt. Durch diese dynamische Ableitung des Verhaltens kann das System jederzeit auf Änderungen des aktuellen Zustands (einschließlich Fehlbedienungen) adäquat, d. h. zielorientiert, reagieren.
Zudem ermöglicht eine Strukturierung der Regeln des entwickelten Assistenzsystems in
- anwendungsspezifisches Wissen (z.B. aufgezeichnete Anlagenzustände, spezifische Bedienaktionen) und
- anwendungsunabhängiges Wissen (z.B. generische Auswahl von Bedienaktionen)
eine einfache Übertragbarkeit des Systems auf andere Anlagen, da nur das anlagenspezifische Wissen ausgetauscht werden muss.
Fazit
Der entwickelte Prototyp ermöglicht einem ungelernten Maschinenbediener, das Mechatronik-Trainingssystem der Lernfabrik zu bedienen. Es werden bereits viele Anlagenzustände berücksichtigt und flexibel auf die Eingaben des Bedieners reagiert. Zudem wurde die Übertragbarkeit auf eine andere Anlage nachgewiesen. In einem nächsten Schritt soll das System um die Betrachtung des individuellen Bedieners erweitert werden. Zum einen umfasst dies die Berücksichtigung der Fähigkeiten und verfügbaren Ressourcen bei der Interaktion. Zum anderen kann eine Ausprägung des Assistenzsystems als Tutorsystem den Bediener nicht nur dabei unterstützen, die Anlage in den produktiven Zustand zu versetzen, sondern zudem auch durch adäquate Erläuterungen die Anlagenbedienung zu erlernen.
Beteiligte Personen
Prof. Dr.-Ing. Claudia Meitinger
Projektleitung
Fakultät für Elektrotechnik
Weitere Beteiligte
Ruben Schlagowski
Fakultät für Elektrotechnik
Partner
Fraunhofer-Einrichtung für Gießerei-, Composite- und Verarbeitungstechnik IGCV, Augsburg