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- Auftaktveranstaltung für Team 4.0
Zukunft der Arbeit: „Wir sind ein Einwanderungsland für Maschinen“
Für die über 400 Teilnehmer im voll besetzten Goldenen Saal hatte Prof. Rohrmair zum Auftakt eine gute Nachricht: „Eine Gesellschaft, die keinen Verpackungsverschluss an der Kondensmilch hinbekommt, der beim Öffnen nicht spritzt, wird auch so schnell keine künstliche Intelligenz schaffen, die die Welt auslöscht.“ Wesentlich weniger optimistisch gab sich IT-Experte Rohrmair dagegen beim Blick auf die zukünftigen Entwicklungen am Arbeitsmarkt: „Die gleiche Wertschöpfung wird in absehbarer Zeit von der Hälfte der Mitarbeiter erbracht werden.“ Treiber dieser Entwicklung ist nicht nur die rasant wachsende Effizienz in der Produktion, die durch Digitalisierung und Industrie 4.0 weiter vorangetrieben wird. Auch neue digitale Geschäftsmodelle wie Amazon oder UBER drehen an der Effizienzschraube: Als Plattform-Innovationen zielen sie darauf, die Märkte transparenter zu machen. Was für den Kunden gut ist, erhöht den Druck auf die Zulieferer der angebotenen Leistungen enorm und krempelt ganze Branchen um. „Der Ausdruck digitale Transformation täuscht darüber hinweg, dass es eigentlich eine Metamorphose ist. Von einer neuen Technologie führt also kein Weg zurück“, betonte der Präsident der Hochschule. In der Dimension sei der Wandel vergleichbar mit der Erfindung der Dampfmaschine, die durch die Ablösung der Muskelkraft einen enormen Wohlstandsschub bewirkt hat. „Nun stehen wir vor der Erweiterung der geistigen Kraft“, prognostizierte Rohrmair. Dies erfordert den Aufbau völlig neuer Qualifikationen, z.B. bei der Medienfähigkeit und beim Umgang mit einer Vielzahl komplexer Informationen. „Wenn unsere Wahrnehmung zunehmend von einem Geschäftsmodell geprägt wird, also z.B. Google Informationen für uns vorfiltert, dann kann es bei Medienfähigkeit nicht mehr nur darum gehen, iPads an Schulen auszuteilen.“
Dass dieser strukturelle Wandel keineswegs ganz neu ist, zeigte eindrücklich der Philosoph Prof. Dr. Peter Sloterdijk: „Wir leben in einer Generation, die von dem Gefühl heimgesucht wird, dass ihr Leben von einer Zäsur durchschnitten wird, die ihresgleichen sucht.“ Aber schon seit der Antike haben ganze Gesellschaften neue Qualifikationen erwerben müssen, so etwa im alten Athen, das erstmals eine umfassende Alphabetisierung seiner Bürger anstrebte. Heute stehe die Gesellschaft vor der Herausforderung einer Art „Hyperalphabetisierung“ um die Fertigkeiten *Lesen – Schreiben – Programmieren“. Dass derlei Entwicklungen Menschen beunruhigen, liege in der Natur des Menschen. „Menschen sind geborene Eskapisten, der Mensch ist das Tier, das ausweicht, weil es mit einem angeborenen Gefühl Schmerz zu erwarten ins Leben startet.“ Dass wir mit unserem „Sinn für das Unheimliche“ nicht immer richtig liegen, zeige unsere häufig falsche Überschätzung von Risiken. „Es ist mir leider nicht immer gelungen, selbst hochrangigen Politikern den Unterschied zwischen Risiko und Gefahr begreiflich zu machen“, resümmierte der Philosoph. „Das Hauptereignis unser Generation ist Migration. Seit dem 18. Jahrhundert haben wir eine beispiellose Abwanderung aus der Landwirtschaft in die Städte erlebt“ und heute erfolgt eine „robotische Invasion“, denn „die eigentlichen Einwanderer sind Maschinen“. Am Beispiel der Automobilindustrie zeigte Sloterdijk, wie wir bereits gelernt haben, uns an eine „Invasion smarter Maschinen“ anzupassen. „Wir haben heute in Deutschland bei 82 Millionen Einwohnern 45 Millionen zugelassene Fahrzeuge – diese Fahrzeuge sind irgendwoher gekommen, dies ist als eine Art Einwanderung zu beschreiben.“ Redewendungen in Bezug auf unser Auto wie „Ich stehe da hinten“ zeigen, dass eine Identifizierung mit Maschinen im Bereich der Automobile weit fortgeschritten sei. Für die Akzeptanz weiterer Maschinen in Zukunft sei auch entscheidend, wie die „robotische Einwanderung fiskalisch interpretiert werden und als Nettobeitragszahler erschlossen werden kann.“
Erfreulicherweise ist Deutschland mit seinem Exportüberschuss aktuell auch ein Auswanderungsland für Maschinen, deswegen stellt sich derzeit die Situation für den Produktionsstandort Augsburg noch etwas anders dar: Der Mangel an adäquat qualifizierten Fachkräften ist aktuell ein Produktionshemmnis für zahlreiche Unternehmen. „Wir können diesen Fachkräftemangel nicht lösen, indem wir nur Fachkräfte von außen hinzuziehen. Wir werden nicht umhin können, unser eigenes Potenzial zu qualifizieren“, betonte Andreas Thiel, der Geschäftsführer der Regio Augsburg Wirtschaft GmbH. „Mit Qualifizierungsprojekten wie eben dem vorgestellten TEAM 4.0 möchten wir hierzu einen Beitrag leisten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wie Unternehmen passende Qualifizierungsbausteine rund um das Thema Arbeit 4.0 anbieten.“
Das Projekt TEAM 4.0 wird aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds in Bayern und aus Landesmitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration gefördert. Projektträger ist die Hochschule Augsburg, Projektpartner sind die Berufsbildungszentrum Augsburg der Lehmbaugruppe gGmbH sowie die Regio Augsburg Wirtschaft GmbH. Kooperationspartner sind die weiteren Partner des TEA-Netzwerkes der Transfereinrichtungen Augsburg, das Anwenderzentrum Material- und Umweltforschung der Universität Augsburg, das FZG Projekthaus Augsburg sowie die Fraunhofer-Einrichtung für Gießerei-, Composite- und Verarbeitungstechnik IGCV und das Zentrum für Leichtbauproduktionstechnologie des DLR in Augsburg.