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Exoskelett Kniegelenk

Entwicklung eines Energiespeichersystems zur Unterstützung der Steifigkeitsfluktuationen

 
Maschinenbau und Verfahrenstechnik
Beispielhafte Darstellung für ein Exoskelett für die Beine. Das Kniegelenk ist hoch komplex. Foto: Colourbox
01.01.2022 - 31.12.2024

Projektbeschreibung

Die Unterstützung von Patient:innen mit Lähmungserscheinungen in der Beinmuskulatur mittels passiver Beinorthesen findet bereits seit den 1950er Jahren statt. Die in den heutigen Orthesen verwendeten Kniegelenke werden auf zwei unterschiedliche Weisen realisiert: mechanisch oder mechatronisch. Jedoch ist keine Variante in der Lage, das menschliche Kniegelenk optimal zu imitieren und zielgerichtet zu unterstützen.

Im Rahmen des Forschungsprojekts EMSAK wird an der Technischen Hochschule Augsburg in der Foschungsgruppe HSA_comp der Fakultät für Maschinenbau und Verfahrenstechnik in Kooperation mit der Ludwig-Maximilians-Universität München ein passives minimal-invasives mechanisches Energiespeichermodul entwickelt, das in der Lage ist, den menschlichen Gang optimal zu unterstützen.

Gesellschaftliche Relevanz

 

Muskel-Skelett-Erkrankungen (MSE) führen in Deutschland zu rund einem Viertel aller Arbeitsunfähigkeitstage und zählen außerdem zu der zweithäufigsten Ursache für eine Frühverrentung. 20 Prozent all dieser Erkrankungen sind auf Gelenkleiden, vor allem Kniegelenkleiden, zurückzuführen. Zu den besonders Gelenk strapazierenden beruflichen Tätigkeiten gehören unter anderem das Bewegen von schweren Lasten, eine erzwungene Körperhaltung, Tätigkeiten mit hoher Krafteinwirkung und sich wiederholende Tätigkeiten.

Nicht nur MSE, sondern auch zentrale Lähmungen und miteinhergehend motorische Defizite, sind in Deutschland häufig vorkommende Erkrankungen. Die beiden letzteren entstehen mitunter durch Multiple Sklerose (MS) oder Schlaganfälle. MS betrifft in Deutschland rund 223.000 gesetzlich versicherte Patient:innen (Stand: 2015) und rund 260.000 Menschen erleiden jährlich einen Schlaganfall. Insgesamt ist durch diese Erkrankungen mit rund 40.000 bis 60.000 Patient:innen jährlich zu rechnen, die eine wesentliche Behinderung erleiden werden. Betroffene leiden an Mobilitätsverlusten und Einbußen ihrer Lebensqualität, sowie Selbstständigkeit. Erst passive und aktive Orthesen verbessern die Lebensqualität der betroffenen Personen, aber auch Exoskelette haben eine immer höhere Relevanz.

Herausforderung

 

In der Orthopädietechnik ist vor allem die repräsentative Abbildung von Kniegelenken – eines der komplexesten  Gelenke des menschlichen Körpers – herausfordernd. Grund hierfür ist die kontinuierliche Steifigkeitsfluktuation des Gelenks während des Gangzyklus.

 
Exoskelett für ein Kniegelenk
Beispielhafte Darstellung eines Verbindungsmoduls zwischen Ober- und Unterschenkelaufnahme. Foto: Elysium Industries

Ziel dieser Forschungsarbeit ist die Entwicklung eines Verbindungsmoduls zwischen einer Ober- und Unterschenkelaufnahme, welches ein menschliches Kniegelenk mit Hilfe einer Steifigkeitsadaption und Energiespeicherung unterstützt. Das Bild zeigt eine beispielhafte Darstellung eines solchen Moduls. Die Realisierung der situativ anpassbaren Steifigkeit soll durch eine quasi-passive Struktur aus Hybridmaterialien und formflexiblen Faserverbundwerkstoffen ermöglicht werden. Des Weiteren wird eine Minimierung von Aktuatorik-Elementen angestrebt, um das System schlanker, unauffälliger und leichter zu gestalten als vergleichbare existierende Produkte. Um dieses Ziel zu erreichen, ist neben einer adaptiven Steifigkeit auch eine dezentrale Energiespeicherung und -freisetzung auf kleinstem Raum erforderlich. Die Unterstützungsfunktion des menschlichen Kniegelenks ermöglicht die Anwendung in diversen Sektoren – zum Beispiel in der Rehabilitation, der Prävention oder der Implementierung in Exoskelette.

Vorarbeiten

 

Der Gangzyklus eines Menschen hängt von diversen Faktoren wie dem Gewicht, der Kadenz (Anzahl der Schritte pro Minute), der Gehgeschwindigkeit und der Größe des:der Proband:in ab. Basierend auf den Gangdaten von Everett Harmann wurde ein Diagramm erstellt, in dem der Steifigkeitsverlauf eines menschlichen Kniegelenks über den Gangzyklus dargestellt wurde. Dies verdeutlicht die unterschiedlichen Steifigkeitsverläufe zu verschiedenen Flexions- bzw. Extensionswinkeln. Hierbei wird deutlich, dass das menschliche Kniegelenk bei einem Beugewinkel von 0,4 Grad vier unterschiedliche Steifigkeiten aufweisen kann. Um weitere Randbedingungen abzuklären, wird eine Anforderungsanalyse mit den Projektpartner:innen durchgeführt. Es wurden bereits verschiedene Möglichkeiten zur Steifigkeitsadaption  entwickelt und bewertet, um auf diese Weise eine Vorauswahl an möglichen Umsetzungsvarianten zu treffen. 

Fazit und Ausblick

 

Diverse Varianten wurden bereits virtuell erstellt und numerisch mit Hilfe des Finite-Elemente-Verfahrens berechnet. Wegen des starken nichtlinearen Verhaltens bringt das große Herausforderungen für die Berechnung der Steifigkeitsadaptivität mit sich. Die Varianten werden im weiteren Projektverlauf miteinander verglichen und bewertet. Im Anschluss wird die Umsetzungsmöglichkeit mit dem höchsten Potential weiter ausdetailliert und als Funktionsmuster gefertigt. Der Demonstrator soll dann in ein von der Ludwig-Maximilians-Universität München entwickeltes Exoskelett implementiert und getestet werden.

Partner

 

Interne Partner

Carolin Sprenger, M.Eng.

Alumna der Technischen Hochschule Augsburg

Fakultät für Maschinenbau und Verfahrenstechnik

HSA_comp

Prof. Dr.-Ing. André Baeten

Maschinenbau und Verfahrenstechnik

Telefon: 

+49 821 5586-3176

Externer Partner

Ludwig-Maximilians-Universität München

PD Dr. Med. Dipl-Ing. Johann Szecsi

LMU – Neurologische Klinik und Poliklinik mit Friedrich-Baur-Institut

München