Wie bei vielen anderen Messsystemen, ist die Kalibrierung auch für optische Bewegungserfassungssysteme unerlässlich. Während der Kamerakalibrierung berechnet das System die Position und Ausrichtung jeder Kamera. Motive erstellt mithilfe von Kalibrierungsdaten ein 3D-Erfassungsvolumen bzw. einen Aufnahmebereich. Dies geschieht insbesondere durch Beobachtung von 2D-Bildern über mehrere synchronisierten Kameras und durch Zuordnen der Position bekannter Kalibrierungsmarkierungen von jeder Kamera durch Triangulation.
Ob die Kameras bereits justiert worden sind erkennst du daran, dass in der Perspektive View in Motive alle Kameras, entsprechend ihres Standpunktes, im Raum verteilt angezeigt werden. Sind die Kameras zuvor noch NICHT kalibriert worden, werden sie in Motive gerade aneinandergereiht im Viewport angezeigt.
Nachdem alle Kameras an den richtigen Positionen platziert wurden, müssen sie richtig ausgerichtet werden, um den gesamten Aufnahmebereich bzw. das volle Tracking Volume vollständig nutzen zu können. Im Allgemeinen müssen alle Kameras auf den Bereich ausgerichtet sein, wo später überall die Trackingmarkierungen verfolgt werden sollen. Diese manuelle Ausrichtung der Kameras wird als Aiming bezeichnet.
Um zu überprüfen, welchen Bereich die einzelnen Kameras überhaupt erfassen, markiert man in Motive alle Kameras im Devices Fenster im linken Bildschirmbereich aus und schaltet in der Dropdown Menüleiste über der Liste mit allen Kameras auf Aiming um.
Dadurch wechselt Motive den Ansichtsmodus im Camera Preview Bereich vom 2D View Port zum 3D View Port bzw. zur normalen Kameraansicht. Von dort aus kann nun überprüft werden, welche Kameras nicht akkurat ausgerichtet sind. Es sollte sichergestellt werden, dass der gesamte Aufnahmebereich aus jedem Winkel erfasst wird. Wenn es sich vermeiden lässt sollten die Kameras so ausgerichtet werden, dass sie sich nicht gegenseitig erfassen, da sie selbst auch Reflexionen verursachen. Jedoch lässt es sich durch die Beschaffenheit des Laborraumes kaum vermeiden, dass manche Kameras von der jeweiligen gegenüberliegenden Kamera erfasst werden.
Wenn du das Kamerafeld im Camera Preview Bereich auswählst, so leuchtet an der entsprechenden Kamera der LED-Ring gelb statt blau auf. So erkennst du schneller, welche Kamera du justieren musst.
Dies ist die letzte Gelegenheit zu überprüfen ob irgendwelche stark reflektierenden Gegenstände im Raum sind. Sollten tatsächlich noch welche existieren, wäre es nun angebracht, diese aus dem Raum zu entfernen oder abzudecken.
Möchtest du eine Kamera neu ausrichten, lockere deren Klammer und drehe sie dann vorsichtig in die gewünschte Richtung. Ist die Kamera richtig ausgerichtet, drehe die Klammer wieder fest zu.
Sind die Kameras aktiv, werden sie sehr schnell sehr heiß. Also fasse sie bitte immer mit Bedacht an.
Zur Orientierung für die Kameras ist es sinnvoll Marker im Raum zu platzieren. Am einfachsten ist es einen Calibration Wand (einen Stab, der mit drei Markern versehen ist, der aufgrund seiner T-Form von Studenten auch oft T-Stab genannt wird) in der Mitte des Raumes zu platzieren. Hierzu stelle einfach einen T-Stab in erhöhter Position und mittig in den Raum.
Für ein optimales Aufnahme Ergebnis solltest du immer kurz prüfen, ob die Kameras alle scharf gestellt sind. Hierzu schaue wieder in das Camera Preview Fenster und kontrolliere die Bildschärfe für jede Kamera im Raum.
unscharfe Marker | mäßig scharfe Marker | scharfe Marker |
Ist ein Kamerabild tatsächlich unscharf, so kann man mithilfe eines Fokussierungswerkzeugs die betroffene Kamera scharf stellen. Hierzu steckt man den Ring vorne auf die Kamera drauf und dreht ihn vorsichtig solange bis das Bild in Motive scharf wird.
Sind alle Kameras justiert, kannst du sie in Motive und im Devices Fenster erneut alle markieren und im Dropdownmenü von Aiming zurück auf Tracking umstellen.
Alle Fremdreflexionen oder nicht benötigten Marker sollten idealerweise vor der Kalibrierung aus dem Aufnahmebereich entfernt werden. Tatsächlich lehnt das System sogar die Kalibrierung ab, wenn zu viele andere Reflexionen als der Kalibrierungsstab in den Kameraansichten vorhanden sind. In bestimmten Situationen können jedoch unerwünschte Reflexionen oder Umgebungsstörungen nicht aus dem Setup entfernt werden. In diesem Fall können diese irrelevanten Reflexionen mithilfe des Maskierungstools ignoriert werden. Dieses Werkzeug wendet rote Masken auf die Fremdreflexionen aus der 2D-Kameraansicht an, und alle Pixel in den maskierten Bereichen werden vollständig ausgefiltert. Entferne eventuelle Fremdreflexionen mit dem Maskierungswerkzeug, bevor du mit dem Wanding beginnst.
Um in den Maskierungsmodus zu wechseln, wähle oben links in den Reiter Layout > Calibrate Layout aus oder drücke im rechten oberen Eck den Button. Nun erscheint das Feld Camera Calibration. Dort befindet sich unter dem Reiter Calibration der Button Mask Visible, der die bereits existierenden Masken in der Camera Preview sichtbar werden lässt.
In der Camera Preview können nun die Reflektionen maskiert werden, die sich nicht aus dem Raum entfernen lassen. Weiße Punkte sind unmaskierte Reflektionen und werden von dem System mit aufgenommen. Rote Punkte dagegen sind maskiert und werden bei der Aufnahme ignoriert.
Erkennt automatisch alle vorhandenen Reflexionen in der 2D-Ansicht und maskiert diese | |
Falls gewünscht, können Masken manuell durch Zeichnen erstellt werden | |
Auswahlrechteck-Werkzeug | |
Auswahlellipse-Werkzeug | |
Man kann auch Masken subtrahieren, indem man zwischen additiven / subtraktiven Maskierungsmodi wechselt |
Bei der Verwendung der Maskierungsfunktionen sollten man vorsichtig sein, da maskierte Pixel vollständig aus den 2D-Daten herausgefiltert werden. Mit anderen Worten: die Daten in maskierten Bereichen werden nicht zur Berechnung der 3D-Daten erfasst, und die übermäßige Verwendung von Maskierung kann zu Datenverlust oder zu häufigen Markierungen führen. Daher müssen alle entfernbaren reflektierenden Objekte vor der Verwendung des Maskierungswerkzeugs aus dem Raum geschafft oder abgedeckt werden.
Nachdem alle Reflexionen entfernt oder maskiert wurden, kannst du mit dem Wanding-Prozess fortfahren.
Wanding ist ein Prozess, der die Kalibrierungsdaten in Motive abtastet. Vor den Kameras wird ein Kalibrierungsstab geschwenkt, so dass alle Kameras die Markierungen sehen können. Bei diesem Vorgang erfasst jede Kamera Musterbilder, um ihre jeweilige Position und Orientierung im 3D-Raum zu berechnen. Es gibt verschiedene Kalibrierungsstäbe für verschiedene Erfassungsanwendungen.
Nachdem Calculate gedrückt wurde, kann es einige Minuten dauern, bis das System die Wanding Ergebnisse ausgewertet hat. Nach Abschluss der Berechnung erscheint ein Fenster mit dem Kalkulationsergebnissen. Dieses gibt Auskunft über die Kalibration und gibt mögliche Fehlerbereiche in Millimetermaßen genau an. In der Norm sind diese so gering, dass sie ignoriert und übernommen werden können. Sollten die Werte jedoch ungewöhnlich groß sein, so sollte das Wanding noch einmal neu durchgeführt werden. Ist alles im grünen Bereich so kann mit den Button Apply der Wanding-Prozess beendet werden. Und du kannst zum letzten Schritt übergehen.
Das Wanding sollte spätestens alle 2 Stunden im Betrieb erneuert werden. Optimal wäre sogar immer nach einer Stunde. Ansonsten verlieren die Aufnahmen nach der Zeit an Genauigkeit und können sogar unbrauchbar werden.
Bei Kameras der Prime-Serie zeigt der LED-Anzeigering den Status des Wanding-Prozesses an. Sobald das Wanding eingeleitet wird, wird der LED-Ring dunkel. Anschließend werden die grünen Lichter rund um den Ring aufgefüllt, wenn die Kamera die Probendaten vom Kalibrierstab erfasst. Schließlich wird der Ring mit grünem Licht gefüllt, wenn eine ausreichende Samplemenge gesammelt wird. Eine einzelne LED leuchtet blau, wenn der Kalibrierungsstab von der Kamera erkannt wird, und die Uhrzeitposition des blauen Lichts zeigt die entsprechende Position des Stabs im Bereich Kameravorvorschau an.
Der letzte Schritt des Kalibrierungsprozesses ist das Festlegen der Bodenebene und des Ursprungs. Dies erreichst du, indem du die dreieckige Kalibrierungsachse mit Markern mittig in den Aufnahmebereich platzierst, dort wo später der Ursprung bei allen Aufnahmen sein soll. Richte die Achse so aus, dass sie auf die gewünschte Achsenausrichtung verweist. Die lange Seite steht für die Z-Achse und sollte daher beachtet werden, da sich das 3D-Programm daran orientieren wird.
Nun sollten drei rote Punkte in der Perspektive View auftauchen. Markiere diese und betätige im Camera Calibration Fenster den Set Ground Plane Button. Nun sollte ein Fenster auftauchen, indem du gefragt wirst, ob du diese Information für die Zukunft speichern möchtest. Dies ist aber nur in bestimmten Situationen notwendig, sodass du das Fenster getrost ignorieren kannst.
Um später keine Probleme mit der Orientierung bzw. dem Ursprung beim Zusammenfügen von deinem 3D-Modell und den Motion Capture Aufnahmen zu bekommen, achte darauf, dass du dein 3D Modell immer an der Z-Achse ausgerichtet modellierst. Das heißt: Modellierst du einen Menschen, sollte dieser an der Z-Achse entlang nach vorne schauen. Weitere Tipps darüber findest du in den Kapiteln über die jeweiligen 3D Modeling Programme.