Der Brummi nachgerechnet: Flugeigenschaften
Der Brummi von Multiplex ist nicht nur raffiniert einfach gebaut, sondern auch geschickt ausgelegt. Das betrifft zunächst das Modell selbst, das eine tschechische Leistung ist. Aber auch Multiplex hat mit dem Antrieb eine einfache und billige, aber gut passende Lösung gefunden.
Für mich war es deshalb eine interessante Fallstudie, einiges an diesem Modell nachzurechnen. Das gehört bei mir zum Hobby, wobei ich durchaus nicht alles neu (er)finden muß. Es macht mir einfach Freude, wenn sogar relativ einfache Berechnungen schließlich doch gute Übereinstimmung mit der Realität zeigen. Ich bin dankbar, hervorragende Programme und Meßergebnisse dreier 'Profis' benutzen zu können. Die Berechnungsformeln und -tabellen, die ich selbst entwickelt habe, waren schon umfangreich genug, um mir zu beweisen, daß ich so etwas noch kann.
Modellauslegung
'Plane Geometry' von Blaine K. Beron-Rawdon (s.u.) ist eine Sammlung von Rechenblättern für Microsoft® Excel®, mit denen man geometrisch vermessene Modelle in ihrer Auslegung nachrechnen kann, um zu Kennwerten über die Flugeigenschaften bzw. Flugstabilität (nicht Flugleistungen) zu kommen. Ausgehend von bestimmten Kennwerten läßt sich umgekehrt eine Modellauslegung (Geometrie) finden, welche gewünschte Eigenschaften besitzt.
Interessant an 'Plane Geometry' ist, daß ein gemessenes oder entworfenes Modell in Draufsicht, Seitenansicht und Frontansicht betrachtet werden kann. Isometrische oder beliebige 'schräge' Ansichten sind auch möglich (mit Excel!), wie man oben sieht.
In der Seitenansicht sind Schwerpunkt (grün) und Neutralpunkt (rot) eingetragen. Weil das Programm vorwiegend die Längsstabilität und das Kurvenverhalten untersucht, wird die senkrechte Koordinate nur für die grafische Darstellung benutzt. Die senkrechte Lage des Schwerpunktes ist aber richtig eingetragen (wie gemessen) und wird auch berücksichtigt. Der Punkt im Seitenleitwerk ist der Flächendruckpunkt und liegt ebenfalls richtig.
Die Leitwerke und Ruder kann man nur mit Trapezflächen annähern. Mehr ist sicher nicht nötig, denn so genau sind die Rechnungen auch nicht. Der Rumpf wird mit 9 Querschnitten angenähert, die man zwischen rechteckig (nicht 'recht eckig') und oval variieren kann. Aus der Abbildung des Rumpfes schätzt das Programm den Reibungswiderstand und ein Nickmoment.
In der Draufsicht liegen Schwerpunkt (grün) und Neutralpunkt (rot) natürlich richtig auf der Längsachse. Im linken Flügel und in der linken Hälfte des Höhenleitwerks sind die Flächendruckpunkte eingetragen. Das Höhenruder ist nötigerweise vorgesehen, Querruder und Landeklappen am Flügel aber nicht. Einerseits hat der Brummi keine, andererseits werden sie von 'Plane Geometry' nicht benutzt. Hier sind sie nur als Beispiel eingezeichnet.
Interessant ist die viertel-ovale Linie am rechten Flügel. Das ist der äquivalente elliptische Flügelgrundriß, über der Flügelhinterkante als Basis gezeichnet. Im Vergleich dieser Linie mit der Flügelvorderkante erkennt man gut, wo relativ hohe und wo relativ niedrige Auftriebsbeiwerte wirken werden. Beim Brummi zeigt das - kein Wunder bei dem Flügelgrundriß - ein gutmütiges Überziehverhalten von der Wurzel zu den Spitzen.
Die Geometrie des Modells schlägt sich übersichtlich in wichtigen Kennwerten nieder. Für die Abbildung eines Modells in einem Simulator sind diese Werte sehr wichtig, weil dort meist nur ein einfacher Trapezflügel angenommen wird. Hier hat man dafür die äquivalenten Werte von Streckung, V-Form, Pfeilung und Zuspitzung. Natürlich sind auch die Hauptmaße und -flächen selbst angegeben.
Die wichtigsten Momentenbeiwerte der Längsstabilität und das wichtigste Stabilitätsmaß überhaupt, die static margin, sind hier schon aufgeführt.
Sie werden aber auch komplett in einem eigenen Block zusammengefaßt. Neben so interessanten (und sehr korrekt 'geschätzten') Werten wie dem Abwindwinkel am Höhenleitwerk sind das alle erdenklichen Momentenbeiwerte und die Wirksamkeit von Ruderausschlägen.
Die Idee von Blaine besteht darin, viele Modelle und 'richtige' Flugzeuge zu vermessen und eine Datenbank der Kennwerte zu sammeln. Es gibt keinen Weg, ein Flugzeug 'analytisch' auszulegen, sozusagen nach einem Rezept die 'richtige' Auslegung zu finden. Deshalb könnte man mit einer solchen Datenbank aus Erfahrung sagen, welche Kennwerte ein gut fliegendes Modell kennzeichnen.
Die Daten aus 'MeasureC' kann man nun in 'DesignC' übertragen, indem man einen Block von Kennwerten hinüberkopiert. Entwirft man ein neues Modell, so fängt man natürlich gleich in 'DesignC' an. Dort trägt man dann gewünschte Kennwerte ein, die nach der Erfahrung (Datenbank) gute Flugeigenschaften ergeben. Das Programm errechnet daraus die nötige Modellgeometrie.
Deren Eigenschaften werden dann - sozusagen zur Kontrolle - in sehr globalen Kennwerten ausgedrückt. Das sind die Hauptmaße, Auftriebsbeiwert, dynamische Längsstabilitätswerte und Anströmwinkel.
Die Bezeichnungen 'MeasureC' und 'DesignC' in 'Plane Geometry' stehen übrigens für 'Conventional Tail', also konventionelles Kreuz- oder T-Leitwerk. Es gibt auch die Versionen 'MeasureV' und 'DesignV' für 'V-Tail', also V-Leitwerk. Beide bewähren sich hervorragend, und so fällt es kaum ins Gewicht, daß 'Plane Geometry' nicht für Entenkonfigurationen, schwanzlose Konfigurationen oder solche mit kleinen Flügeln und großem Rumpfauftrieb verwendbar ist. Das sind hauptsächlich Militärjets, während Blaine seine Interessen vorwiegend bei den Modellseglern hat.
Bei einem vorhandenen Modell wird der Schwerpunkt natürlich nicht nachgemessen, sondern gewollt eingestellt. Das geschieht mit einer solchen Vorrichtung dann aber auch ausreichend genau.
Die Einstellwinkel von Flügel und Höhenleitwerk muß man sehr wohl messen, wenn sie bei einem ARF-Modell unveränderlich vorgegeben sind. 'Plane Geometry' gibt Anstellwinkel aus, die man aber leicht umrechnen kann. Der Vergleich ergibt immer gute Übereinstimmung zwischen Rechnung und Wirklichkeit, vorausgesetzt man hat die richtigen Kennwerte des Flügelprofils (Nullmomentenbeiwert, Nullauftriebswinkel). Das ist das größte Problem bei dieser Sache.
Schließlich wurde das Modell, wie Blaine es empfiehlt, pendelnd aufgehängt. Nach Messen der Schwingungsdauer mit der Stopuhr können letztlich die Trägheitsmomente um die drei Achsen berechnet werden. Hiervon wird in 'Plane Geometry' das Nick-Trägheitsmoment zur Berechnung der Längsstabilität benutzt. Bei einer Abbildung des Modells in einem Simulator (z.B. REFLEX) kann man alle drei gebrauchen. Vom 'Auspendeln' gibt es hier kein Bild, weil die Innenansicht unserer Waschküche nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist (zumindest nicht in diesem Zusammenhang). Die Bilder vom Küchentisch müssen reichen.
Das Messen der Trägheitsmomente ist eine weitere gute Idee von Blaine. Man kann aus ihnen durch Bezug auf die Modellabmessungen dimensionslose Kennwerte machen. Diese variieren von Modell zu Modell nur in einem erstaunlich schmalen Wertebereich. Wenn man viele Messwerte ähnlich konfigurierter Modelle hätte, könnte man recht genau auf die Trägheitsmomente neu konstruierter Modelle schließen (oder solcher, die man nicht besitzt, aber im Simulator abbilden möchte). Der Konjunktiv ist hier angebracht, denn es gibt bisher nur sehr wenige Messwerte in der Datenbank.
Links and Downloads
Blaine K. Beron-Rawdon verkauft seine Programme unter dem Namen 'Plane Geometry' für wenig Geld über seine Firma Envision Design. Er bietet auch ein schönes Programm namens 'Linkage Design' zur Auslegung von Ruderanlenkungen an. Beide Programme sind sehr empfehlenswert und professionell gemacht (Blaine ist Profi). Ein Bericht über 'Plane Geometry', einige Artikel von Blaine sowie die Kennwerte-Datenbank 'Planes Database' finden sich im Internet-Magazin R/C Soaring von Mike Shellim. Auch dieses Magazin ist sehr empfehlenswert und mit seinen vielen interessanten Links fast schon ein Portal. Die Excel-Blätter 'MeasureC' und 'DesignC' sowie 'RadGyr' aus 'Plane Geometry' mit den Daten des Brummi biete ich hier an. Um das Urheberrecht zu wahren, sind aber alle Berechnungsformeln entfernt und es gibt hier keine Dokumentation von 'Plane Geometry'.
Wer den REFLEX-Modellflugsimulator besitzt, kann die Flugeigenschaften des Brummi auch darin nachvollziehen. Hier gibt es den Brummi als REFLEX-Modell, und auf einer eigenen Seite wird es - besonders die Flugeigenschaften - beschrieben.