E2D-Studierende besuchen Materialagentur und Forschungsgebäude in Stuttgart

 
Zero energy, zero emission, zero waste: Die Studierenden mit Prof. Dr. Müller vor dem Forschungsgebäude B10 in der Stuttgarter Weißenhof-Siedlung
Zero energy, zero emission, zero waste: Die Studierenden mit Prof. Dr. Müller vor dem Forschungsgebäude B10 in der Stuttgarter Weißenhof-Siedlung

Die 23 Studierenden des Studiengangs „Energieeffizientes Planen und Bauen – E2D“ sind auf der Zielgeraden: Vor wenigen Tagen haben sie ihre Bachelorarbeit gestartet. Ihr Thema: „NaturErleben - Ein Haus für Erlebnispädagogik“ am Augsburger Eiskanal. Schwerpunkt ist über den klassischen Gebäudeentwurf hinaus besonders der ressourceneffiziente Umgang mit Energie und Material, von der Energiebilanzierung und dem Einsatz erneuerbare Energien sowie passive Maßnahmen bis hin zur Ökobilanzierung und dem nachhaltigen Materialeinsatz incl. Demontage- und Recycling-Fähigkeit. Wie kann ein Gebäude so gestaltet werden, dass es im gesamten Lebenszyklus diesen Anforderungen gerecht wird?

Für diese Fragestellung holten sich die Studierenden nun am 15. November 2018 im Rahmen einer Exkursion nach Stuttgart unter der Leitung von Prof. Dr. Joachim Müller letzte Inspirationen und diskutierten mit Fachleuten aktuelle Konzeptionen.

 

Nachhaltige Werkstoffe - Materialagentur Raumprobe

Erste Anlaufstelle war die Materialagentur RaumProbe, die mit einer umfangreichen Material-Datenbank an der Schnittstelle zwischen Herstellern und Planern berät und anhand der Material-Ausstellung inspiriert. Für die Studierenden „be-greifbar“ werden Werkstoffe anhand von Musterstücken über Haptik, Geruch, Ästhetik und Farbe - unter anderem mit einer umfangreichen Sammlung aus dem Bereich biobasierter/biologisch abbaubarer Materialien oder recyclierter/ recyclierbarer Werkstoffe.

Materialien „be-greifen“ im Ausstellungsbereich (Foto: J. Müller)
Materialien „be-greifen“ im Ausstellungsbereich (Foto: J. Müller)
Verschiedene Themenschwerpunkte der Ausstellung (Foto: J. Müller)
Verschiedene Themenschwerpunkte der Ausstellung (Foto: J. Müller)
Fassadenplatte aus Altglas-Recycling (Foto: J. Müller)
Fassadenplatte aus Altglas-Recycling (Foto: J. Müller)

Herr Jörg Schmitt stellte das Konzept der Materialagentur sowie die Highlights der Ausstellung vor und diskutierte Vor- und Nachteile unterschiedlicher Materialkonzepte mit den Studierenden.

 

B10 – Recyclierbares Plusenergiegebäude mit Elektromobilität

Höhepunkt der Exkursion war die Besichtigung des Forschungsgebäude B10 - benannt nach dem Standort am Bruckmannweg 10 in der Weißenhofsiedlung. Erläutert und diskutiert wurde das Gebäudesystem mit Dr. Frank Heinlein, Director Business Communication der Werner Sobek Group GmbH, der sich auch von der Konzeption des Studiengangs E2D genau an der Schnittstelle von Architektur und Ingenieurwesen im Schwerpunkt Ressourceneffizienz beeindruckt zeigte.

B10 wurde 2014 nach der Planung von Werner Sobek als Forschungsgebäude errichtet. Es folgt dabei dem Prinzip Tripple-Zero: Zero energy, zero emission, zero waste. Konkret bedeutet das: Alle Teile von der Fundamentierung bis zu den Bauprodukten im Innenraum sind vollständig zurückbaubar und recyclingfähig. So kamen im B10 sortenrein trennbare Konstruktionen statt der üblichen Verbundmaterialien zum Einsatz, etwa als textile Gebäudehülle statt eines mehrlagigen Putzsystems auf der Außenfassade. So konnte z.B. auch auf einen Schutzanstrich der tragenden Holztafelbauweise verzichtet werden.

Das als Einraum-Appartment oder für eine Büronutzung vorgesehene Gebäude besteht aus zwei komplett vorgefertigten Modulteilen einschließlich eines „Technikregals“, das vom Wohnraum durch Schranktüren zugänglich ist: Hier wurden modulare Bausteine der technischen Gebäudeausrüstung incl. Küche und Bad integriert.

Brücke

Die vorgelagerte Terrasse bildet eine Brücke zwischen Straße und Gebäude. Sie kann vollständig vor die Fassade hochgeklappt werden und verhindert so in den Abendstunden Einblicke durch die vollverglaste Front mit hochdämmenden Vakuum-Verglasungen.

Forschungsgebäude B10 – Vakuum-Verglasung und Textile Fassade außen, Haustechnik als „Wandregal“ innen
Forschungsgebäude B10 – Vakuum-Verglasung und Textile Fassade außen, Haustechnik als „Wandregal“ innen (Fotos: J. Müller)

Die eigentliche Besonderheit liegt aber über die Architektur hinaus in der energetischen Gesamtkonzeption. Das Plusenergiehaus (Baujahr 2014) erzeugt in der Jahresbilanz mehr Energie, als es selbst verbraucht, um diese als Wärme oder Elektrizität (Eisspeicher als Langzeit-Phasenspeicher oder Batteriesysteme) zu speichern, in die Netzsysteme des Quartiers weiterzugeben oder für die Elektromobilität von PKW oder eBike bereitzustellen. Wesentlich unterstützt – so erläuterte Dr. Heinlein - wird der Betrieb durch die Software eines vorausschauenden und selbstlernenden Energiemanagements, das die einzelnen Komponenten untereinander abstimmt und Mobilitäts- und Lastprognosen ebenso berücksichtigt wie die vorausgesagten Wetterbedingungen und solaren Gewinne.

 

Weltkulturerbe – Wohnexperiment Weißenhofsiedlung

In wenigen Wochen wird B10 demontiert und an anderer Stelle wiederaufgebaut – ein Versuchsgebäude also, das hervorragend passt zur umgebenden Weißenhofsiedlung u.a. mit den Weltkulturerbe-Bauten von Le Corbusier – auch hier wurde ja 1927 bereits mit neuen und zukunftsweisenden Wohnformen und Konstruktionen experimentiert.

Weißenhof-Siedlung: Weltkulturerbe Doppelhaus von Le Corbusier, jetzt Informationszentrum und begehbares Exponat (Foto: J. Müller)
Weißenhof-Siedlung: Weltkulturerbe Doppelhaus von Le Corbusier, jetzt Informationszentrum und begehbares Exponat (Foto: J. Müller)
 

Raumskulptur - Mercedes-Benz-Museum

Der letzte Besuch der Exkursion galt schließlich dem Mercedes-Benz-Museum mit seinem faszinierenden Raumkontinuum in Form einer Doppel-Helix als Erschließung. Auch hier wurden besondere Material-Anwendungen eingesetzt, etwa als textile Lichtdecke, schimmernder Metallvorhang oder Wandverkleidung aus bürstenartigen Fasern.

Komplexe Geometrien: Erschließungssystem des Mercedes Benz Museums (Foto: J. Müller)
Komplexe Geometrien: Erschließungssystem des Mercedes Benz Museums (Foto: J. Müller)
Komplexe Geometrien an der Fassade, textile Lichtdecke als „Himmel“ im Atrium (Fotos: J. Müller)
Komplexe Geometrien an der Fassade, textile Lichtdecke als „Himmel“ im Atrium (Fotos: J. Müller)
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Ein guter Schwung also an Inspirationen und motivierenden Praxisbeispielen - für die Studierenden ein gelungener Start in ihr eigenes Bachelor-Projekt.