Studieren im Makerspace
Im neuen Bachelorstudiengang Creative Engineering an der Hochschule Augsburg wird entwickelt und konstruiert, aber auch zerlegt
Diesen Anspruch löst allein schon der neue Standort des Studiengangs ein. Im Kesselhaus des Glaspalastes wird eine Kooperation mit dem Verein und Makerspace „Das Habitat Augsburg“ lebendig. Die Hochschule hat dort im sogenannten Gebäude X neue Räumlichkeiten bezogen und nutzt zugleich die bereits vorhandenen Werkstätten des Habitats. Dort gibt es bereits eine sehr aktive Community. Die gemeinsame und fortlaufende Entwicklung und Gestaltung dieses Ortes ist ein wichtiger Bestandteil der Lehrkultur im Studiengang. Hier fand auch kürzlich das Opening des Studiengangs statt.
Neue Räume und neues Personal
Neben den Räumlichkeiten wurde außerdem neues Personal gewonnen. Hinzu kamen an der Fakultät für Gestaltung eine Professur für partizipative Gestaltung, besetzt durch Dr. Jennifer Schubert, und eine Professur für „Gestaltung – Produkt – Wirkung“, besetzt durch Dr. Helge Oder. An der Fakultät für Elektrotechnik ist mit Professorin Dr. Martina Königbauer eine Expertin für systematische Produktentwicklung neu ins Team gekommen.
Dass man sich für Lehre und Studium im Makerspace trifft, hat einen Grund. Ziel ist es, über das Machen in einen Prozess der Reflexion zu kommen. „Die Prototypen, die in den Praxismodulen hergestellt werden, sind Denkwerkzeuge“, erklärt Professor Andreas Muxel. Außerdem will man im neuen Studiengang die Wirkhorizonte, in denen gestaltet wird, bewusst größer sehen. Die jeweils betreffenden Zielgruppen und Akteur:innen sollen früh in den Gestaltungsprozess miteinbezogen werden.
Um gesellschaftsrelevante Fragen im Studiengang Creative Engineering diskutieren zu können, sei es wichtig, in frühen Stadien von Produktentwicklungen über schnelles Prototyping erlebbare Artefakte zu schaffen und in einem kooperativen, partizipativen Prozess für verschiedene beteiligte Akteur:innen zugänglich zu machen.
Mit Creative Engineering biete die Hochschule Augsburg Interessierten ein Studium an, das von Beginn an interdisziplinär agiert, das Wissen aus zwei Disziplinen verbindet und so ganzheitlich und bedarfsorientiert auf komplexe Themen der Zeit reagiert, wie etwa Künstliche Intelligenz, Mobilität, Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Dabei steht die praktische Ebene im Vordergrund. Professor Oder erklärt: „Prototypen verkörpern bereits in frühen Phasen anschlussfähiges Wissen und ermöglichen in interdisziplinären Entwicklungsvorhaben gemeinsame Kommunikation und Planung der nächsten Schritte. Statt technischer Perfektion sind in dieser Phase Offenheit und Variantenreichtum entscheidende Kriterien für erfolgreiche kooperative Produktentwicklung. Da darf auch mal ein Schritt zurück gemacht oder in eine komplett andere Richtung gedacht werden.“
Ergebnisoffen arbeiten und Probleme identifizieren
Im Studiengang Creative Engineering stehe ergebnisoffenes Arbeiten bewusst im Mittelpunkt, so Oder. Er sagt: „Am Anfang wird zwar das Thema definiert, aber das Ergebnis bleibt offen. Die intensive, vielfältige Auseinandersetzung mit dem Entwurfsthema unter kreativer Nutzung verschiedenster Praktiken, Materialien und Medien des Entwerfens ist ein Garant für qualitativ hochwertige, innovative Ergebnisse. In einem fluiden Prozess wird etwas gemacht, entworfen, entwickelt und zur Diskussion gestellt.“ Die Gegenstände der Gestaltung könnten gar nicht gleich zu Beginn identifiziert werden. Es gehe auch darum, zunächst die richtigen Fragen zu stellen und potenzielle Probleme überhaupt zu erkennen und zu benennen statt vorschnelle Antworten in Form von Technologien und Produkten zu geben.
Die Studierenden beschäftigen sich ab dem ersten Semester mit diesen experimentellen, offenen Arbeitsweisen. Dem gegenüber stehen oft sehr konkrete Anforderungen und Fragestellungen vor allem aus der Wirtschaft. Unter diesem Rahmenbedingungen nachhaltige Entwicklungen anzustoßen ist laut Professor Oder eine interdisziplinäre Herausforderung, zu der Creative Engineering mit spezialisierten Vorgehensweisen beizutragen hat.
Kreative Arbeit mit Technologie
Dabei bleiben auch Technologie und Technik selbst nicht unangetastet. Professor Daniel Rothaug erklärt: „Um kreative Arbeit mit Technologie zu fördern, muss sie als etwas veränderliches, spielerisch und kreativ handhabbares erlebt werden. Durch Experimente wird der technologische Möglichkeitsraum erweitert. Die Studierenden sollen im Tun erfahren, wozu sie fähig sind: Was kann ich überhaupt gestalten?“ Technologie sei etwas von Menschen Gemachtes. Das könne man eigentlich auch wieder infrage stellen. Die Studierenden dürften also auch Demontage betreiben.
Worauf sollen die Studierenden dabei vorbereitet werden? Wie ist das Potenzial des Studiengangs auch für zukünftige Berufsbilder? Was sind die Herausforderungen für Designer:innen in der Zukunft generell? Professor Oder sagt: „Eine Grundlage für zukunftsfähige, nachhaltige Innovationen ist es, das Design mit anderen Disziplinen zu vernetzen. Design ist eine Disziplin mit einer eigenständigen Praxis in der Strukturierung und Aufklärung komplexer Problemlagen und Fragestellungen, die nicht nur nach technologischen Gesichtspunkten abläuft, sondern auch kulturelle und ästhetische Aspekte beinhaltet und somit viele Zwänge im Prozess elegant löst.“ Diese Kompetenzen des Designs von Beginn an in technologieorientierte Innovations- und Entwicklungsprozesse einzubringen sei eine Strategie, mit der alle Kooperationspartner ihre disziplinären Möglichkeiten potenzieren.
Neue Realitäten erlebbar machen
Design erzeuge dabei nicht nur sichtbare Artefakte. Prozesse, Systeme und soziale Interaktionen könnten ebenfalls Ergebnisse von Gestaltung und Innovation sein. Und für diese Vorgänge sei das materielle Arbeiten, das Erzeugen von Prototypen und das Schaffen neuartiger erlebbarer Realitäten in Zusammenarbeit mit verschiedenen anderen Disziplinen elementar. Oder erklärt: „An diesen Punkten wird man im Studiengang arbeiten, hier wird man Vorgehensweisen und Haltungen auch teilweise neu definieren. Professor Wolfgang Zeller, Dekan der Fakultät für Elektrotechnik, sagte anlässlich der Eröffnung des Studiengangs: „Die Studierenden werden – gemäß den beteiligten Fakultäten Gestaltung und Elektrotechnik – zwei Perspektiven auf ein und dieselbe Welt kennenlernen.“
Schon heute zeichnen Stellenausschreibungen einen möglichen Weg in die berufliche Zukunft der neuen Studierenden vor: Creative Technologist, Design Engineer, Strategist Designer, Interaction Engineer, Product Owner – das könnten allesamt Berufsbezeichnungen sein, die für die künftigen Absolvent:innen als Betätigungsfelder in Frage kämen – und sie zu gefragten Persönlichkeiten machen.
Weitere Informationen zu Creative Engineering
Podcast Deutscher Designer Club (DDC) über Creative Engineering mit Prof. Daniel Rothaug und Prof. Andreas Muxel zusammen mit Bettina Knoth in der Reihe „Was ist gut?“: