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Impact – Wirkung. Transfer als wichtiger Bestandteil von wirkungsorientiertem Handeln
Thomas Steiner, Impact-Measurement- und Management-Experte bei der PHINEO gAG und Prof. Dr.-Ing. Elisabeth Krön, Vizepräsidentin für Transfer und Infrastruktur der Hochschule Augsburg, sprachen über die Rolle von Transfer als wichtiger Bestandteil von wirkungsorientiertem Handeln.
Prof. Dr.-Ing. Elisabeth Krön:
Herr Steiner, Sie sind Impact-Measurement- und Management-Experte bei PHINEO und haben im Rahmen unserer Veranstaltung HSA_transfer | Das Fest: Transfer 5+ am 30. Juni 2022 eine Keynote gehalten zu Impact – Wirkung. Mit dem Untertitel: Transfer als wichtiger Bestandteil von wirkungsorientiertem Handeln. Was verstehen Sie unter diesen beiden Begriffen und wie setzen Sie diese in Bezug zu Transfer?
Thomas Steiner:
Alles was wir machen, hat eine Wirkung, egal ob positiv oder negativ, beabsichtigt oder unbeabsichtigt. Nach unserem Verständnis bedeutet Wirkung, wenn sich die Lebenssituation einer bestimmten Zielgruppe verändert, nachdem gezielte Aktivitäten durchgeführt worden sind. Der Transfer findet zum einen zwischen den Zielgruppen und der durchführenden Organisation statt. Zum anderen auch zwischen der durchführenden Organisation und weiteren Stakeholdern. Daher sehen wir vor allem den Wissenstransfer als elementaren Teil von wirkungsvollem Handeln an.
Krön:
Transfer ist aus Sicht der Hochschule Augsburg Kooperation mit wechselseitigem Nutzen für Hochschule, Wirtschaft und Gesellschaft. In allen Transferprojekten, die wir im Rahmen von HSA_transfer unterstützt haben, war es Ziel, gemeinsam innovative Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen zu entwickeln, die im besten Falle Social Impact erzielen.
Steiner:
Dazu müssen wir aber erst einmal klären, was Social Impact überhaupt bedeutet. Und eine Antwort dazu ist nicht leicht. Im Rahmen Ihrer Veranstaltung hätte ich im Publikum gut 20 Personen fragen können, was für sie Wirkung oder Impact bedeutet. Und ich hätte sehr viele unterschiedliche Antworten bekommen. Für viele bedeutet Wirkung, wenn sie zum Beispiel 100 Jugendliche mit ihren Workshops oder Weiterbildungen erreicht haben. Oder wenn sie 100 Megawatt Strom aus erneuerbaren Energien generieren.
Krön:
Aber sind das nicht in erster Linie Outputs?
Steiner:
Genau. Das sind in erster Linie Outputs, die Sie bekommen, wenn Sie irgendetwas am Anfang des Prozesses reingegeben haben. Wirkung hingegen beschreibt die Veränderung der Lebenssituation oder des Verhaltens von Menschen. Beispiel Workshops: hier sprechen wir von Wirkung, wenn diese 100 Jugendlichen nicht nur an den Workshops teilnehmen, sondern dadurch auch bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt bekommen. Gehen Sie also noch einen Schritt weiter und schauen Sie sich die Veränderungen bei der Zielgruppe genau an. Diese Veränderungen bzw. Wirkungen können kurz- oder langfristig, individuell oder kollektiv, direkt oder indirekt sein. Es kommt immer auf den Kontext und die Zielgruppe an, was ich mit meinen Aktivitäten erreichen möchte.
Krön:
Wie lauten Ihre Empfehlungen, wenn wir Lehrenden oder unsere Studierenden Transferprojekte planen?
Steiner:
Bei der Planung einer Aktivität, bei der Entwicklung eines Produkts oder einer Dienstleistung können Sie folgendermaßen vorgehen: Schauen Sie sich zuerst die sozialen Herausforderungen an, das beinhaltet auch den Klimawandel oder den Biodiversitätsverlust. Dann analysieren Sie, was die Bedürfnisse der Zielgruppe sind, die sie erreichen möchten. Anhand dessen können Sie Ihre Aktivitäten planen und umsetzen und im Anschluss daran die Veränderungen, im besten Fall positive, beobachten. Dadurch, dass es eine Veränderung bei der Zielgruppe gab, ergibt sich wieder ein neuer Ausgangspunkt und Sie beginnen über die neue Situation genauso nachzudenken, wie zu Beginn.
Krön:
Warum ist die Zielgruppe so wichtig?
Steiner:
Wenn Sie die Zielgruppen nicht in den Mittelpunkt Ihrer Arbeit und Ihrer Überlegungen stellen, kann es schnell passieren, dass entweder die geplante Wirkung nicht eintritt, weil die Zielgruppe Ihr Angebot nicht annimmt. Oder im schlimmsten Fall sogar negative Wirkungen für die Zielgruppe entstehen. Achten Sie aber nicht nur auf die Zielgruppe, sondern auch auf andere Stakeholder, die den Prozess beeinflussen können oder durch Ihre Aktivitäten indirekt beeinflusst werden könnten.
Krön:
Die Hochschule Augsburg hat im Rahmen der Bund-Länder-Initiative Innovative Hochschule im Zeitraum 2018 – 2022 die Chance erhalten, den Transfer zukunftsfest aufzustellen. Im Rahmen des Projekts HSA_transfer haben wir rund 100 Transferprojekte realisiert. Haben wir Ihrer Ansicht nach Wirkung erzielt?
Steiner:
Der Transfer der Hochschule Augsburg wirkt. Denn HSA_transfer fokussiert sich genau auf die Faktoren, die Wirkung erzeugen: Auf der einen Seite orientieren Sie sich an den Sustainable Development Goals sowie an den Zukunftsleitlinien der Stadt Augsburg. Dies zeigt, dass Sie nicht nur einzelne Perspektiven einnehmen oder einzelne Probleme angehen, sondern dass Sie einen holistischen Ansatz gewählt haben, um Herausforderungen anzugehen. Dies zeigt sich sehr schön, sowohl in Ihren fünf Wirkdimensionen – sozial, ökologisch, ökonomisch, kulturell und technologisch – als auch in der Integration von allen wichtigen Akteurinnen und Akteuren, egal ob aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft oder Politik. Die verschiedenen Blickwinkel auf ein Problem führen Sie nicht nur näher an eine Lösung heran. Dies bietet auch die Chance, potentiell negative oder nicht beabsichtigte Wirkungen zu vermeiden oder zumindest zu reduzieren.
Krön:
Können Sie das an einem unserer Transferprojekte konkretisieren?
Steiner:
Gerne. Nehmen wir das Projekt New Work – New Life als Beispiel: Viele ländliche Ortschaften erleben einen demographischen Wandel und viele, oft junge Menschen, ziehen in größere Städte. Aus diesen Orten verschwinden nicht nur die jungen Menschen, sondern auch nach und nach tägliche Angebote wie die Post oder Bank, aber auch kleinere Läden zum Einkaufen. Nun könnte man dem rein Ökonomisch begegnen und Firmen ansiedeln, die Arbeitsplätze schaffen. Dass die Menschen in dem Ort aber auch ein angenehmes Leben, mit allem was dazu gehört, führen wollen, könnte vergessen werden. Das Projektteam hat diesen „Fehler“ nicht gemacht und die anderen Dimensionen und Stakeholder mitgedacht, um den zugezogenen, aber auch und vor allem den alteingesessenen Einwohnern ein lebenswertes Zuhause zu schaffen.
Krön:
Ist es Ihrer Ansicht nach schon ausreichend für Transfer, den Austausch zwischen Hochschule und Zivilgesellschaft zu ermöglichen? Oder gehört hier noch mehr dazu.
Steiner:
Dialog zwischen den Stakeholdern ist nicht der einzige, aber ein wichtiger Baustein wirkungsorientierten Handelns. Die Herausforderung besteht darin, im ersten Schritt die Dialogräume zu öffnen. Im zweiten Schritt sollten aber auch klare Zielsetzungen für die Gespräche gesetzt werden. Ohne klare Zielsetzung und Ergebnisse verlaufen viele Gespräche im Sand.
Krön:
Wir haben fünf Dialogformate konzipiert und realisiert. Diese sind HSA_transfer | Talk, HSA_transfer | Forum, HSA_transfer | Vortragsreihe und die HSA_transfer | Themenschau. Als hochschulinterner Thinktank haben wir HSA_transfer | Fokus etabliert. Und während der Projektarbeit stehen die Transferpartnerinnen und -partner immer in sehr engem Austausch. Zum einen bei den Projektpartnern vor Ort und zum anderen auch im HSA_transmitter, unserem Innovationsraum für Zukunftsgestalter:innen auf dem Campus am Brunnenlech.
Steiner:
Noch ein Tipp für Ihre Transferprojektarbeit: Etablieren Sie diese Dialogräume bereits wenn Sie Projekte oder Aktivitäten planen und halten Sie diese bis zum Ende offen. Das kann Ihnen während der Projektphase einiges an Ärger ersparen. Tauschen Sie sich nicht nur über Fehler und Herausforderungen aus, sondern sprechen Sie auch über die Erfolge. Denn auch von diesen kann man lernen. Dinge, die zum Beispiel in einem Prozess gut funktioniert haben, können für einen anderen Prozess adaptiert werden. Oder lernen Sie, warum Sie erfolgreich waren, und wenden Sie dieses Vorgehen an, um Erfolge noch erfolgreicher zu gestalten. Und vergessen Sie das Feiern der Erfolge nicht. Das gehört auch dazu.
Krön:
Können wir noch weitere Ressourcen für Transfer an unserer Hochschule nutzbar machen?
Steiner:
Mit HSA_transfer haben Sie an der Hochschule Augsburg ein wahnsinnig wichtiges und wertvolles Projekt über fünf Jahre umgesetzt. Die gemeinsamen Projekte von Studierenden, Lehrenden, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zeigen, dass – egal um welche Herausforderung es geht, sich immer irgendwo eine Lösung finden lässt. Vielleicht in innovativen Ansätzen, aber vielleicht auch in althergebrachten Vorgehensweisen. Ihre Hochschul-Familie besitzt mit den Studierenden und Mitarbeitenden einen riesigen Schatz an Kreativität, Ideen, Energie und vor allem die nötige Portion Idealismus, um heutige und zukünftige Probleme und Herausforderungen – im Großen: Stichwort Klimawandel, wie im Kleinen: Stichwort barrierefreie Balkone – zu lösen. Seien Sie sich dieser kostbaren Ressource bewusst und machen Sie sie nutzbar – nicht nur für die Hochschule Augsburg, sondern auch für die Stadt Augsburg und darüber hinaus. Allein können Sie das aber nicht schaffen. Daher auch ein Appell an alle Partnerinnen und Partner von HSA_transfer: Halten Sie die Dialoge offen. Ermutigen Sie andere mitzumachen. Und statten Sie sie mit ausreichend Ressourcen aus, damit Sie weiterhin so erfolgreich arbeiten können, wie in den letzten fünf Jahren. So können wir gemeinsam einen weiteren Schritt in Richtung einer nachhaltigen und sozial gerechteren Welt gehen. Um es mit den Worten unseres CEOs Andreas Rickert auszudrücken: „Willkommen im Impact-Zeitalter.“ Ich freue mich, mit allen Transferakteurinnen und -akteuren, dieses Zeitalter zu gestalten.
Krön:
Ganz herzlichen Dank für Ihre zahlreichen Impulse.
Das Gespräch fand am 30.06.2022 statt. Es ist auch veröffentlicht in: HSA_transfer: Posterbuch, 2022, S. 8-9.
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