14.12.2020

Prof. Dr. Dominik Merli ist Professor an der Fakultät Informatik für die Lehrgebiete IT_Sicherheit, Embedded Security und Industrial Security. Rebecca Bilger führte das Gespräch über seine Erfahrungen mit dem Corona-Semester 2020.

Wie sah denn ein normaler Tag im unnormalen Sommersemester 2020 bei Ihnen aus?

 

Ich habe das Sommersemester - wie die meisten von uns - im Homeoffice verbracht. Da mein Home-Office Arbeitsplatz im Keller ist, kam ich mir manchmal vor wie ein Radiosprecher. Ich schaue in einen Bildschirm und spreche in ein Mikrofon, sehe aber keine Gesichter und Reaktionen. Meine digitale Lehre habe ich mit Zoom durchgeführt.

Zu Beginn der Vorlesung habe ich den TeilnehmerInnen in einem Moodle- Kursraum Verhaltensregeln zur digitalen Lehre gegeben. Ich habe sie darauf hingewiesen, ihr Mikrofon stumm zu schalten und das Video auszuschalten, da es bei vielen Teilnehmern schnell zu Bandbreiten Problemen kommen kann. Ihr Mikrofon und ihr Video sollten sie in Fragerunden, z. B. nach einer Präsentation, einschalten.  Außerdem sollten sie sich im Profil mit ihrem richtigen Namen anmelden, dass man sie damit aufrufen kann.

Wie hat sich die Zoom-Vorlesung angefühlt im Vergleich zur Präsenz?

 

Das war relativ gut machbar und angenehm. Letztendlich muss man sich ähnlich vorbereiten wie in der Präsenz.

Welche Veranstaltungen haben Sie in diesem Semester konkret umgesetzt?

 

Das Wahlfach IT-Sicherheit mit Professor Braun. Hier haben wir die Gelegenheit genutzt, das Wahlfach neu aufzubereiten. In Zukunft hat das für uns den Vorteil, dass Laborrechner nicht mehr zwingend notwendig sind, da wir nun virtuelle Maschinen haben, die jeder auf seinem eigenen Rechner benutzen kann. Da wir dieses Konzept später eins-zu-eins auch in Präsenz nutzen können, hat sich der Aufwand der Vorbereitung gelohnt.

Wie haben Sie Ihre Online-Lehre konzipiert, also die Zoom-Vorlesungen?

 

Das Fach IT-Sicherheit haben wir zeitlich so wie im normalen Stundenplan vorgesehen gehalten, aber per Zoom. Abstimmungen habe ich hierbei mit Tweedback durchgeführt. Das hatte ich bereits in den Präsenzveranstaltungen eingesetzt, da es einfach und zuverlässig funktioniert. Bei methodischen Übungen, z. B. bei einem simulierten Bedrohungs-Risiko-Analyse Workshop, wurden die Ergebnisse in Moodle dokumentiert und anschließend diskutiert. In technischen Übungen habe ich die vorab installierte, virtuelle Maschine im Zoom Bildschirm geteilt, so dass alle Teilnehmenden sehen konnten, was ich im Code bearbeite.

Des Weiteren hatte ich ein Seminar mit unterschiedlichen Terminen. In einer Einheit war das ursprüngliche Ziel in Gruppen Plakate zu einem bestimmten Thema zu erarbeiten und zu präsentieren. Das war rein virtuell natürlich nicht so einfach möglich. Durch die digitale Lehre haben wir die Ergebnisse dann über Moodle, Moodle-Foren und Wikis digital abbilden und per Zoom präsentieren können.

Dann hatte ich noch einen Teil der Veranstaltung Softwaresysteme. Dort ging es zu Beginn um einen Crash-Kurs in der Programmiersprache Rust. Den habe ich vorab digital in Form von Jupyter Notebooks vorbereitet und zur Verfügung gestellt, damit die Teilnehmenden dies zu Hause bearbeiten können.

Wie viele Teilnehmerinnen waren in so einer Übung und Vorlesung?

 

Sowohl in der Vorlesung IT-Sicherheit als auch in der dazugehörigen Übung waren durchschnittlich ca. 40 TeilnehmerInnen regelmäßig in den Zoom-Meetings anwesend. Bei der Veranstaltung Softwaresysteme waren es ca. 30 und bei dem Seminar ca. 15 TeilnehmerInnen.

Wie ist Ihr Eindruck, waren es mehr oder weniger TeilnehmerInnen in diesem Semester?

 

Für die Veranstaltung IT-Sicherheit gibt es ein Wahlfach-Buchungssystem indem die Studierenden Punkte vergeben können, um zu priorisieren, welches Wahlfach sie gerne belegen würden. Es waren ungefähr 100 InteressentInnen, also wesentlich mehr als wir in Präsenz im Hörsaal an Plätze zu vergeben hätten. Normalerweise können wir nur ca. 40 TeilnehmerInnen akzeptieren, diesmal haben wir 60 angenommen, weil es für uns in Zoom keine Rolle spielt, wenn 10-20 TeilnehmerInnen mehr präsent sind. Es hat sich dann auch in der Prüfung gezeigt, dass es etwas mehr Prüflinge waren als sonst.

Wie schätzen Sie die digitale Entwicklung der Lehre für Ihren Lehrbereich ein?

 

Die Frage ist, wie es weitergeht, wenn wir wieder auf das alte “Normal” zurückkehren. Ich finde die digitalen Lehrveranstaltungen haben ähnlich gut funktioniert wie in Präsenz, wobei die Fachrichtung Informatik hier evtl. auch einen Vorteil hat. Positiv ist, dass wir mehr zulassen können, da viele Studierende die Infrastruktur zu Hause haben. Leider aber nicht alle, muss man auch sagen.

Was würden Sie Studierenden raten, um erfolgreich digital zu studieren? Was müssen sie sich abseits von ihrem Fachwissen noch aneignen?

 

Struktur und Disziplin. Das sehe ich prinzipiell als wichtig an für ein erfolgreiches Studium. Im digitalen Semester war mehr selbstständiges und aktives Arbeiten gefordert. Vorbereitet zu sein auf das, was digital bearbeitet wird, um mitmachen zu können, ist eine Voraussetzung. Also beispielsweise: “Sind meine Systeme aktiv und einsatzbereit?”

Wie hat sich die Online-Lehre für Sie angefühlt?

 

Dadurch, dass räumliche Herausforderungen wegfallen, war es zum Teil einfacher. Das fand ich persönlich super.

Bezogen auf die Kommunikation ist in der Präsenz natürlich eine größere Nähe zu den Studierenden vorhanden. Man bekommt mehr mit. Aus der Perspektive des Lehrenden würde ich sagen, dass es keine größere Anstrengung ist digital vor dem Bildschirm zu lehren als in Präsenz.

Wie gesagt, ich habe mich ein bisschen wie ein Radiomoderator gefühlt. Und auch wenn man nur in einen schwarzen Bildschirm hineinschaut, sollte man Emotionen und etwas Entertainment in seine Lehre bringen, um nicht zu monoton zu werden und die Zuhörer zu langweilen.

Wovon, denken Sie, haben die Studierenden in diesem Semester am meisten profitiert?

 

Ich denke, dass auch für die Studierenden das Thema Mobilität und die räumliche Unabhängigkeit positiv waren und dass es ein Vorteil war, dass die Studierenden nicht anreisen mussten. Sie konnten mitmachen, egal wo sie waren.

Was würden Sie gerne mitnehmen, wenn die Hochschule wieder zurück in die Präsenz geht?

 

Ich fände es gut, wenn die Hochschule die Zoom-Lizenz auch zu Präsenzzeiten weiter zur Verfügung stellen würde. Nicht nur für die Lehre, sondern generell als Konferenzsystem ist es sehr gut geeignet. Wir nutzen Zoom mittlerweile auch für den Austausch mit internationalen Wissenschaftlern und für virtuelle Events mit Unternehmen. Es bietet einfach eine zusätzliche ortsunabhängige Möglichkeit für Meetings.

Welche würden Sie als ihre Lieblingstools der digitalen Lehre bezeichnen?

 

Ich würde nicht sagen, dass ich ein Lieblingstool habe. Meine Tools, die ich vorwiegend benutzt habe, waren, wie gesagt, Zoom, Tweedback und Moodle.

Das Format Jupyter Notebooks finde ich persönlich sehr spannend und hatte auch das Gefühl selbst noch Neues dazulernen zu können.  Es ist sehr interaktiv, vielseitig und Open Source Software.

Wie denken Sie, kann das Didaktik-Medien-Zentrum den Lehrenden und Studierenden unterstützend zur Seite stehen?

 

Die meisten Lehrenden sind ja keine Didaktiker oder Pädagogen, sondern Informatiker, Ingenieure Maschinenbauer oder dergleichen. Daher würde ich mir wünschen, dass es mehr Best-Practice-Beispiele, beispielsweise für Gruppenarbeiten, gibt. So dass ich sagen kann: "Das probiere ich in meiner nächsten Veranstaltung einfach mal aus." Da gibt es im Internet natürlich generell schon eine Menge, aber die Hürde es tatsächlich zu probieren oder auf die spezifische Fach-/Lehrsituation anzupassen ist oft noch zu hoch.

Wie könnte das gestaltet sein?

 

Das könnte diverse Formen haben, beispielsweise ein Video oder eine Struktur, in der ein Ablauf beschrieben wird. Es wäre schön, wenn man Beispiele hat, die einen inspirieren. Vermutlich benötigt es aber auch einen Coaching-Komponente oder eine positive Gruppendynamik unter den Lehrenden.

Und wie kann man die Lehrenden erreichen, dass es sie anspricht?

 

Vielleicht wäre eine Art “Didaktik Forschung” möglich, bei der man sagt: “Lasst uns etwas ausprobieren und untersuchen, wie gut es funktioniert!” oder dass man auf sehr niederschwelliger Ebene sagt, man findet Freiwillige, die sich bereit erklären Methoden auszuprobieren. Vielleicht kann man auch zu Beginn jedes Semesters eine Art “Commitment” einfordern, indem man versucht, eine Gruppe von 3-4 Interessierten Lehrenden zusammen zu bekommen, die dann in diesem Semester Methode X testen. Ich denke, das kann man zeitlich unterkriegen. Wenn diese drei, vier Personen versuchen beispielsweise eine Gruppenarbeit richtig gut virtuell umzusetzen, könnte das DMZ begleitend, wie eine Art “Coach” zur Seite stehen. Zu Beginn eine Art Workshop veranstalten mit den Lehrenden und dem Coach, um gemeinsam etwas zu konzipieren. Jeder Lehrende setzt es dann in der Praxis um, wie er es für richtig hält und zum Abschluss macht man einen weiteren Workshop und analysiert, was funktioniert hat und was nicht.

Somit hätte man automatisch vier Beispiele am Ende des Semesters, eine Art “Lessons Learned” und das Ganze könnte als Didaktik-Projekt anderen zur Verfügung gestellt werden.

Es wäre interaktiv, man hat ein Commitment und es entstehen dadurch echte Didaktik-Versuche.

Vielen Dank für Ihre Zeit und das Interview.