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Prof. Dipl.-Ing. Ulrich Thalhofer

Interview zum Sommersemester 2020

 
14.07.2020

Dipl.-Ing. Ulrich Thalhofer ist Professor für die Lehrgebiete Ingenieurinformatik, Finite Elemente und Numerische Mathematik in der Fakultät für Maschinenbau und Verfahrenstechnik. Dr. Julia Sonnberger führte am 14. Juli das Gespräch über seine Erfahrungen mit dem Sommersemester 2020.

Wie sah denn ein normaler Tag mit im unnormalen Sommersemester 2020 bei Ihnen aus?

 

(lacht) Ein normaler Tag? Möglichst früh aufstehen, dann nachsehen, welche Lektionen sind noch offen – ich habe die Inhalte der Lehrveranstaltungen in Lektionen aufgeteilt – und dann entsprechend Lehrvideos aufgenommen – jeden Tag meist 2,3, oder 4 Lehrvideos. Das war der normale Tag. Und wenn es ein schöner Tag war, dann habe ich mich noch in einem Meeting mit Studierenden getroffen. Allerdings nur, um Fragen zu beantworten. Ich habe just-in-time-teaching oder flipped classroom gemacht und keine Vorlesungen gehalten. Die Zeit war dadurch geprägt, dass ich Videos produziert habe – ich habe mal nachgezählt, das waren insgesamt wohl 160.

Welche Veranstaltungen haben Sie beispielsweise umgesetzt?

 

Ich habe etwas Glück mit meinen Veranstaltungen, die sind prädestiniert für die digitale Lehre: Ich habe kein Labor und ich brauche keine Räumlichkeiten. Die Programmierung, die numerische Mathematik und die Simulation habe ich umgestellt auf die jetzige Situation. Was viel Arbeit macht und Nerven kostet – ist darauf zu achten, dass die Studierenden dranbleiben... wenn die mich ab und zu sehen, da hat man mehr Möglichkeiten einzuwirken. Aber wenn alles virtuell ist, ist das schwieriger. Da habe ich ein Bonus-System angeboten. D.h. die Studierenden konnten schon früh Aufgaben abgeben, dafür haben sie Punkte bekommen. Die wenigsten haben sich die Punkte für die Prüfung entgehen lassen.

Können Sie das Bonus-System etwas genauer beschreiben?

 

Ja, ich habe zusätzlich zu den Übungsaufgaben sogenannte Bonus-Aufgaben bereitgestellt, die sich inhaltlich auf die Übungsaufgaben bezogen haben. Mit diesen Aufgaben konnten bis zu 20 Prozent der Prüfungspunkte auf freiwilliger Basis erlangt werden. In der Prüfung konnte man aber auch ohne Bonuspunkte 100 Prozent erreichen. Zusätzlich gab es Wikis in moodle zu bearbeiten. Die Studierenden, die Wikis bearbeitet haben, haben deutlich besser abgeschnitten. Aber auf die Bearbeitung der Wiki-Aufgaben gab es keine Punkte, so dass nur sehr wenige die Wikis bearbeitet haben. Auch kamen viele damit nicht zurecht. Da die Wikis nicht so erfolgreich waren, probiere ich das nächste Mal Quizzes in moodle aus.

Wie haben Sie Ihre Lehre online konzipiert? Wie sind Sie dabei vorgegangen? Und wie sahen die Veranstaltungen dann aus?

 

Die Umstellung selbst war nicht so schwierig. Denn seit circa acht Jahren mache ich Lehrvideos. Dieses Semester war durch die Kurzfristigkeit und dazu die komplette Umstellung in das Digitale ungünstig. Auch hat sich die Software, die ich einsetze, geändert, so musste ich die ganzen Aufgaben und Beispiele ändern. Und für die Theorie gab es größtenteils keine Lehrvideos. Das war nervlich herausfordernd – zum Ausgleich hat vor allem Sport geholfen – viel Laufen.

Wo gab es dabei Herausforderungen und wie haben Sie diese gelöst?

 

Eigentlich waren es zwei Probleme, die ich auch von anderen Kolleg:innen mitbekommen habe:

Das erste ist: Wie hält man die Studierenden am Ball? Wie arbeiten die den Stoff durch? Man sieht sich ja nicht an der Hochschule. Wobei in der Präsenzvorlesung meint man ja, dass man das besser unter Kontrolle hat, das ist aber eher ein Trugschluss. Für das Digitale habe ich daher das Bonus-System eingeführt.

Das zweite ist, wenn man die Digitalisierung konsequent durchzieht – d.h. auch die Prüfung digital macht, dann steigt die Herausforderung. Zudem hört man von den Kollegen so etwas wie „ja die schreiben doch alle ab, wenn man in der Prüfung nicht die Kontrolle hat“. Muss man eben einfach ausprobieren und ich habe viel dabei gelernt – vor allem positives.

Der direkte Kontakt fehlt – das haben die Studierenden auch in der Evaluation rückgemeldet, nicht nur zum Dozenten.

Darauf zielt auch meine nächste Frage ab, wie haben die Studierenden auf die Online-Lehre reagiert?

 

Ein Problem ist, dass der Mensch ein soziales Wesen ist. Wir brauchen den persönlichen Austausch. 

Die Studierenden haben insgesamt das Digitale nicht negativ gesehen. Es hat einen gewissen Vorteil, man kann die Video jederzeit ansehen, und auch das Bonus-System kam gut an. Sie haben eigentlich alle gesagt, dass sie mehr gelernt haben. Das haben z.B. auch die Wiederholer gesagt. Die Studierenden mussten sicherlich in der schwierigen Situation auch mehr leisten.

Ein großes Problem hatte ich wegen der Software. Die Räume des Rechenzentrums standen nicht zur Verfügung und damit musste ich auf teilweise eingeschränkte Studierendenversionen zugreifen. Also alle Beispiele und Aufgaben vor dem Semesterbeginn nochmals durchrechnen und anpassen.

Wie hat sich denn das Digitale auf die Teilnahme – Anwesenheit und auch Interaktivität ausgewirkt – war die Teilnahme eher weniger oder mehr als normal?

 

Ich glaube, da ist nicht viel Unterschied zu einer normalen Vorlesung. Es waren an die 80 Leute in einem moodle-Kurs. Wenn dort jemand 30 Tage nicht aktiv war, habe ich mir erlaubt, ihn rauszunehmen. Hat sich aber keiner beschwert! Hätte jeden ja sofort auf Anfrage wieder eingeschrieben. In moodle kann man ja auch die Aktivitäten der Teilnehmer kontrollieren. Das ist schon manchmal etwas frustrierend, aber dann muss man sich halt wieder was einfallen lassen. Die Aufgaben, die ich bereitgestellt habe, haben sehr viele durchgearbeitet. Habe mich in der Prüfung dann stärker auf das bezogen, was in meinem Skript steht und in den Videos gezeigt wird. Lösungen mit anderen Mitteln (vom befreundeten Informatiker oder aus dem Internet) bekamen dann eben Punktabzug.

Was möchten Sie Ihren Studierenden raten, wie man erfolgreich online studiert?

 

Ich rate dasselbe wie sonst: am Ball bleiben und nicht erst vor der Prüfung lernen. Durch das Bonus-System, konnte darauf einwirken.

Das zweite wäre, nicht immer nur die Prüfung im Auge zu haben – es geht nicht um die Prüfung, sondern um das, was man für später lernt. Man will ja später im Beruf nicht unvorbereitet dastehen. Und das Studium hat man sich ja selbst ausgesucht. Ist nicht ganz so wie in der Schule! Motivation und Spaß liegen ziemlich eng beieinander – vielleicht kann Programmierung ja auch dem Maschinenbauer Spaß machen. Und dann geht es online auch leichter. Trotz der harten Selbstdisziplin.

Wie haben Sie selbst sich bei der Online-Lehre gefühlt – auch wenn sie ja erfahren sind, wie ging es dieses Sommersemester?

 

Es war wahnsinnig anstrengend, weil man sich viele Gedanken gemacht hat – wie bekomme ich unter diesen schwierigen und neuen Umständen den Inhalt rüber und schaffe Kompetenz. Und wenn man dann auch noch Neues ausprobieren will, dann wird das viel.

Wovon haben Sie und die Studierenden am meisten profitiert? Was würden Sie in die „normale“ Lehre übernehmen z.B. im nächsten Semester/Jahr?

 

Wenn ich normale Lehre machen würde, würde ich weiterhin noch die Lehrvideos anbieten, da kann man sagen, seht es euch nochmals an. Vorlesungen im alten Sinne würde ich nicht machen, eher eine Fragestunde zu den Lehrvideos. Für die Übungen würde ich mehr Webkonferenzen machen und damit mehr „Präsenz“ mit reinnehmen und gemeinsam z.B. Aufgaben durchspielen.

Für Ihre Kollge:innen – Welches ist aktuell Ihr Lieblingstool für Ihre digitale Lehre?

 

Das ist und bleibt Camtasia! Camtasia gefällt mir ausgesprochen gut und ich kenne mich mittlerweile recht gut aus. Und als zweites moodle, auch wenn moodle manchmal nicht so einfach ist. Gerne möchte ich noch ein paar Dinge in moodle verstärkt einsetzen, z.B. die Quizzes. Aber ich würde auch Verständnisfragen gerne in die Videos einbauen. Und Jupyter Notebook ist für die Informatik und die Mathematik ein herrliches didaktisches Werkzeug. Darauf hat mich Kollege Nik Klever dankenswerter Weise aufmerksam gemacht.

Was wünschen Sie sich für die Hochschullehre? Wie sieht – Ihrer Meinung nach – die Hochschullehre der Zukunft aus?

 

Ich wünsche mir, dass wir die Studierenden motivieren können und die sagen: „Wow –  das ist toll, was wir hier lernen!“ Think big... nicht nur Stein auf Stein setzen und vergessen, woran man baut. Nein, die Studierenden sollten immer sehen, dass sie Großes bauen.

Und ganz ehrlich, wir haben die Voraussetzungen dazu! Wir haben so tolle Möglichkeiten! In dieser Krise haben wir gesehen, dass wir mit den Schwierigkeiten umgehen können. Alleine was unser Rechenzentrum geleistet hat, das ist enorm! Und nie hat es an Hilfe aus der Hochschulleitung und der Fakultätsleitung gefehlt – dafür herzlichen Dank!

Ein konkreter Vorschlag: Man vernetzt die Module eines Semesters und macht dazu ein Projekt. Wer die Theorie praxisbezogen anwenden kann, der ist doch schon nah dran an der Kompetenz, die vermittelt werden soll. Braucht man dann noch Prüfungen in den einzelnen Modulen? Führt auch zu einer besseren Abstimmung in einem Semester. Ist allerdings schon schwierig in normalen Zeiten – aber vielleicht gibt es die bald wieder. Ich gehöre ja schon zu den Oldies und soll mich bald zurückziehen. Schön wäre das, dann trifft man auch die Kolleg:innen wieder öfter!

 

Das Interview führte Dr. Julia Sonnberger