BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Magdalena von Dobeneck

1808 - 1891

 

Briefe und Tagebuchblätter

aus Frankreich, Irland und Italien

 

1843

 

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gen Himmel. Das Colorit seines Angesichts, ganz Licht, sticht wunderbar ab gegen die braunen Gesichter der beiden Schriftgelehrten. – Noch erwähne ich der Himmelfahrt Marias von Correggio, auf Kupfer gemalt. Im Antlitz, in der Haltung der heiligen Jungfrau, liegt etwas besonders kindlich demüthiges; sie verwundert sich, daß sie es dem Sohne Gottes nachmachen, und auch gegen Himmel fahren soll. Die Engel, die sie tragen, sind wahrhaft englisch empfunden und ausgeführt, ihr Flug ist triumphirend, sie sind von den verschiedensten Altern. Den Jüngsten werden die Hände gereicht – wie sie sich eilen! – einer lächelt holdselig dem andern. Was sag ich aber von Carlo Dolc[i]'s Meisterwerk, ich meine – doch horch! Eben kreischt es unten in der Straße: quatro, cinque, sei! Man spielt alla morra (übliches Spiel in Genua und Mayland). Im Geiste seh' ich groteske Figuren, die ihre braunen Finger in die Luft strecken – weit aufgesperrte Lippen – zurück zu Carlo Dolc[i]. Das Gemälde ist: Christus am Oelberg, auf Knieen gesunken – betend. Das Gewand ist von blendend rother Farbe und fließt nachläßig zur Erde. Das Haupt ist sanft zur Erde geneigt, die Hände über die Brust gelegt, die blaßen Züge sind wie durchsichtig – Mensch und Gott, Kampf und Sieg. Ein Engel kniet auf der Höhe, ganz Wehmuth, als ahne er des Herrn bange Stunde: mein Gott, mein Gott! warum hast du mich verlassen. –

Auch die Kirche San Siro besuchten wir. Sie ist prächtig, besonders durch ihren schön gemalten Plafond. Einem  Priester,  zugleich  Maler,  der  einen  Mord  verübt,

 

ward diese Kirche zum Zufluchtsort; er malte den Plafond und erlangte so die Absolution des Papstes. –

Fast hätte ich den Palast Serra zu erwähnen vergessen. «Das Haus, auf Säulen ruht sein Dach – es glänzt der Saal, es schimmert das Gemach!» [Goethe, Mignon] Der große Saal ist da ganz Gold, ganz Spiegel, ja selbst die schönen Säulen, o weh! sind vergoldet; die Pfeiler mit einem Sand von Lazursteinen bedeckt – überall Crystalle – Glanz über Glanz. Der Diener, der uns diese Herrlichkeit erschloß, versicherte, daß, wenn dieser Saal erleuchtet sey, man es darin nur einige Minuten aushalten könne – trefflich! Wenn es doch mit allen Scheindingen dieser Welt auch so wäre!

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Nach sechs lang durchwachten Nächten genoß ich wieder einmal der Ruhe, und meine Brust ist merklich gestärkt. Alle angewandten Mittel, das Uebel zu heilen, waren vergebens – da that es Gott durch einen er­quickenden Schlaf; – für so viel Güte lobe ihn meine Seele!

 

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So  eben  komme  ich  von  dem  königlichen  Palast. Ich  sah  Christus  mit  der  Dornenkrone  und Purpurmantel   von   Carlo   Dolc[i];   es   sind  dieß  die­selben    Züge    seines    auf    dem   Oelberg    Betenden; nur  noch mehr  durch  Schmerz  vergeistigt.  Diese dunklen, feuchten  Augen,  sanften  Blickes,  durchdringen meine Seele   und   diesen halb  geöffneten  Lippen entschwebt  der  letzte Todes­seufzer. Dort ruft mich Guido

 

 


 

Carlo Dolci: Christus am Ölberg

 

Die Kirche San Siro

 

Carlo Dolci: Ecce homo