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Frühling in Katalonien

Jacqueline Walter meldet sich mit einem Update aus Barcelona

 
Montserrat, Callbató
16.05.2023
Barcelona, Spanien

¡Apresúrate! ¡De lo contrario, te perderás algo!, schreit Trine während neben uns ein Riese im Avatar-Ganzkörperanzug vorbei läuft. Vor uns auf der Bühne singt die katalanische Punkrock-Sängerin auf Spanisch von finanzieller Freiheit. Ihr Buzcut gibt den Blick frei auf ihre futuristische Sonnenbrille, in die rote Gläser eingesetzt sind. Die metallisch klingende E-Gitarre schwebt vor ihrem Körper und verdeckt fast schon ihren Umschnallpenis. Die Gäste des Konzerts prügeln sich durch einen Moshpit und der Bassspieler schüttet eine Tüte Doritochips, zusammen mit Tomaten und Chili in einen Mixer auf der Bühne.

 

Ich wünschte fast schon, dass ich die Szene erfunden hätte. Doch ist es einfach nur eine unbeschönigte Wiedergabe eines Kulturevents der katalanischen Jugendszene. Hier in Barcelona blüht die Jugend- und Kulturszene in wortwörtlich allen Farben des Regenbogens. Das Konzert war kostenlos und wir wurden von einigen katalanischen Freunden der Uni eingeladen. Vermutlich waren wir die einzigen „Nicht-Spanier“ dort. Generell bietet Barcelona unglaublich viele Kulturveranstaltungen zum freien Eintritt. Während wir am Anfang unserer Mobilität noch in den eher klassischen Attraktionen, wie dem Picasso Museum, zu finden waren (jeden Donnerstag frei), sind wir jetzt mitten in den lokalen „Geheimtipps“ gelandet. Vor einigen Wochen waren wir in las Ramblas in einer scheinbar gewöhnlichen Tapasbar, in deren Hinterzimmer sich jedoch eine Salsa-Party versteckt gehalten hatte. Scheinbar sind alle Spanier:innen begnadete Salsa-Wettkampftänzer:innen. Ein peruanischer Freund hat uns einige Schritte Salsa beigebracht und so steppten wir uns in der Bar gegenseitig auf die Füße. Preise werden wir definitiv nicht gewinnen, aber dort gewesen zu sein war es auf jeden Fall wert. Ganz großer Tipp am Rande: Was man hier an Miete bezahlt, kann man sich in den Kulturveranstaltungen am Eintritt sparen. Es gibt hier in Barcelona unglaublich viele Events, Konzerte, Festivals und Straßenfeste zum freien Eintritt.

Punkrock-Konzert in Barcelona
Punkrock-Konzert in Barcelona
 

Heiß wird es nicht nur in unserer Freizeitgestaltung, sondern auch in ganz Barcelona. Während mir mein Vater Fotos vom Regen in Augsburg schickt, schwitze ich wie eine Scheibe Käse unter der Sonne am Strand in Sitges. Mit dem Catalunya Ticket, können wir für 10 € einen Monat lang in ganz Katalonien an die schönsten und einsamsten Strände rund um Barcelona fahren. In der Uni laufen auch die Rechner heiß: Um die erforderlichen ECTs zusammen zu sammeln, sitze ich Montag bis Freitag von Morgens um 9:00 Uhr bis manchmal Abends um 21:00 Uhr in der Uni. Dort musste ich einige Events absagen, um die ersten Abgaben fertig zu stellen. Wahrscheinlich hätte ich es mir selbst nicht „so schwer“ machen müssen, da das „Grafik-Design“ Studium in Barcelona einzig und alleine Wert auf Ästhetik legt. Doch ist meine Arbeitsweise mit meinem Hintergrund aus Augsburg grundverschieden von der meiner Mitstudierenden in Llotja. Sehr wenige Professor:innen legen einen kommunikativen Anspruch an die Projekte, sondern vielmehr einen technisch visuellen im Einsatz der Grafikprogramme. Da ich allerdings aus dem Kommunikationsdesign-Studium in Augsburg komme, ist es für mich undenkbar, ein Projekt ohne Recherche und Hintergründe anzugehen. Das erfordert natürlich deutlich mehr Zeit, weshalb ich meinen Laptop auch abends in einer Bar oder zum Sonnenuntergang auf Montjuik noch regelmäßig dabei habe.

Design, Kunst, Kultur, Bücher und Uni sind für mich mein ganzes Leben. Glücklicherweise lässt sich das alles, speziell in meinem Studienfach Kommunikationsdesign, hervorragend verbinden. Für die Arbeit als kreativ schaffender Mensch ist die Stadt unglaublich belebend und inspirierend. Zwar durchlebe ich (wie am Beginn geschildert) oft „Kulturschocks“, doch reißt es mich massiv aus meiner Komfortzone heraus, was sich positiv auf meine Projektideen und meine persönliche Entwicklung auswirkt. Aus den Erlebnissen hier werde ich noch lange schöpfen und ich bin jetzt schon froh, wenn ich in Augsburg wieder Ruhe habe um alles Erlebte zu reflektieren. Dass ich hier niemals „zur Ruhe komme“ und mit ständiger „fomo“ (fear of missing out) lebe, macht sich auf jeden Fall an meiner Gesundheit bemerkbar. In den wenigen Monaten, die ich hier bin, bin ich garantiert die Hälfte der Zeit krank gewesen. Drei Krankenhausaufenthalte wegen einer anhaltenden Sinusitis liegen hinter mir und ich hoffe, dass es jetzt gut bleibt. Fünf Monate Erasmus reichen nicht im Geringsten aus, um alle Erfahrungen aus Barcelona mitzunehmen. Zuhause bleiben? Keine Option.

 
Blumen auf Markt in Barcelona
Das Sant-Jordi-Fest ist das spanische Pendant zum Valentinstag. In der ganzen Stadt werden Bücher und Rosen verkauft.
Sant Jordi, Barcelona
Sant Jordi, Barcelona
 

Aus meinem „Jewelry-Kurs“, konnte ich mittlerweile meine ersten selbst designten und in silbergegossene Schmuckstücke vom „Funditor“ abholen. Zwar gibt es hier in Barcelona am Campus Llotja Sant Gervasi nicht einmal einen Drucker (fatal für das Designstudium). Doch gibt es am Campus Llotja Sant Andreu unzählige Werkstätten zum Goldschmieden, Holzarbeiten, Näharbeiten und Töpfern. Die Professorin unseres Jewelry-Kurses lässt uns sogar außerhalb der Vorlesungszeit manchmal in die Werkstatt, wo wir privat noch weiter an unseren Schmuckstücken arbeiten dürfen. Das ist unglaublich toll UND GÜNSTIG. Meine Cousine und beste Freundin aus Deutschland hat mich vor zwei Wochen in Barcelona besucht. Sie ist Goldschmiedin und war mit mir im Unterricht dabei. Sie hat uns offenbart, dass es in Deutschland keine Funditoren für freischaffende Handwerker:innen gibt. Ein selbst geschmiedeter Ohrring, eingegossen vom Funditor, kostet hier schlappe 9 €. Zurück in Deutschland würden wir für das gleiche Stück 200 € in der Goldschmiede bezahlen. Fazit: Die Möglichkeit, in die Handwerkstätten zu gehen, auf JEDEN FALL NUTZEN.

 
Blick über Barcelona
Sonnenaufgang, Barcelona
Strand, Katalonien
Strand, Katalonien
 

Spanisch! Ufff… Ich kann tatsächlich nicht sagen, ob sich meine Spanischkenntnisse verbessert haben? Zwar führe ich mittlerweile viel häufiger Konversationen auf Spanisch und ich habe viel weniger Kopfschmerzen nach einem Unitag ganz auf Katalan & Castellano, doch fühlt es sich für mich so an, als wäre ich in meinen Sprachkenntnissen im Alter von sechs Jahren stehen geblieben. Man spricht ja bekanntlich von einer „Lernkurve“. Vielleicht wird das ja noch besser.

Ich könnte noch zehn weitere Seiten Reisetagebuch schreiben, doch muss ich jetzt zurück an meine Uniarbeiten, damit ich am Wochenende feiern und wandern gehen kann. ¡Vamos a ver! was ich bald als nächstes Berichten werde.

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