„Wenn ich durch die Stadt gehe und verschiedene Baustellen sehe, ärgere ich mich oft“, sagt Tanja Scheffler entschieden. „Bei vielen Gebäuden wird immer noch zu wenig auf Energieeffizienz und nachhaltige Materialien geachtet. Es werden zwar die Standards eingehalten, vor allem wenn noch Fördergelder im Spiel sind, aber viele Möglichkeiten werden einfach nicht genutzt.“
Tanja Scheffler hat ihren Bachelorabschluss „Energieeffizientes Planen und Bauen – E2D“ gemacht und studiert nun im Master „Energie Effizienz Design“. Beides sind integrale und stark interdisziplinäre Studiengänge an der Schnittstelle von Architektur und Ingenieurwesen. Die Abkürzung E2D steht für E wie Energie, E wie Effizienz und D wie Design, die drei klassischen Säulen der Nachhaltigkeit.
Neben dem Studium arbeitet Tanja Scheffler als Werkstudentin in einem Architektur- und Ingenieurbüro mit Sitz in München und Augsburg. Hier hat sie schon während ihres Praxissemesters Erfahrungen gesammelt, und hier ist sie auch jetzt richtig in die Praxis der Objektplanung und des Energiedesigns eingebunden.
Zurzeit geht es um die Konzeption und Realisierung einer Dreifachsporthalle, was ein etwas komplizierteres Projekt ist, denn, so Scheffler: „Die Dreifachsporthalle soll auf eine bestehende Eineinhalbfachsporthalle gesetzt werden. Das ist ein Projekt am Limit. Aber nicht nur wegen der Statik: Durch eine thermische Gebäudesimulation konnten wir nachweisen, dass die Halle natürlich belüftet werden kann und so Energie und Kosten eingespart werden.“ Die Studentin spricht von „wir“, was genau erkennen lässt, dass sie nicht mehr einfach nur Werkstudentin ist, sondern schon lange im Architektur- und Ingenieurbüro angekommen ist und sich mit ihrer Arbeit und ihren Aufgaben stark identifiziert.
Angewandte Wissenschaften – nicht nur graue Theorie
Gerade dieser Punkt ist an der Hochschule enorm wichtig. „Applied Sciences“, also angewandte Wissenschaften, ist ein Prädikat. Die Studentinnen und Studenten sollen ihre Zeit nicht nur in Vorlesungen verbringen, sondern bereits ab dem ersten Semester immer wieder an interdisziplinären Studienprojekten arbeiten, z.B. auch konkreten Bauaufgaben in Augsburg. Und natürlich raus in die Wirklichkeit, die praktische Arbeit kennenlernen und dabei für ihren Beruf relevante und entscheidende Dinge aufsaugen − ein ganzes Praxissemester lang. Schließlich wird an der Hochschule für den Markt ausgebildet, es werden Persönlichkeiten geformt, die in der Wirtschaft gebraucht werden und die dort auch bestehen können.
Oft liegen gute Ideen und die Realität nämlich auch weit auseinander und Ersteres scheitert oft an Letzterem. „Wenn ich im Studium mein Projekt abgebe, ist alles toll und ich bin happy. Da kann man sich ja auch richtig ausprobieren und Neues wagen. Aber wenn ich dann auf einem Jour fixe mit einem Bauherrn sitze, dann kommt oft ganz pragmatisch als erstes: Was kostet mich das, was ist günstiger? Dann machen wir das so“, sagt Scheffler. Gerade bei energieeffizienten Maßnahmen muss oft viel diskutiert, argumentiert und erklärt werden. „Wir versuchen, bei den Bauherren die Perspektiven zu verschieben von ,Was kostet mich das jetzt‘ auf ,Was kostet mich das die nächsten 30 bis 40 Jahre‘. Das muss einfach gegengerechnet werden und oft gibt es da dann auch die Einsicht beim Gegenüber.“
Häufig werde vieles vor allem über technische Maßnahmen kompensiert – zum Beispiel mit aufwendigen Lüftungsanlagen, was eigentlich auch passiv machbar wäre. „Die Heizung durch Nutzung der Solarstrahlung oder Erdwärme zu unterstützen, Speichermassen im Gebäude zu nutzen, den Kühlbedarf durch natürliche Lüftung zu reduzieren, vor allem in der Nacht: Das sind gute Ansätze, die ganz früh in den Entwurf mit einfließen müssen. Ich will immer schauen, dass Gebäude mit ganz wenig Technik betrieben werden.“ Der Mensch sei schon viel zu viel mit Technik umgeben. „Smart-Home-Systeme wie ein automatisierter Sonnenschutz sind zwar ein guter Ansatz, um den Energiebedarf runterzufahren, jedoch sollte der Mensch immer die Kontrolle behalten. Ein Gebäude darf seinen Nutzer nicht entmündigen. Auch das ist ein wichtiger Aspekt der Behaglichkeit.“ Tanja Scheffler will sich nach ihrem Studium vor allem stark für Ressourceneinsparungen einsetzen, Architektur und Ingenieurkenntnisse frühzeitig miteinander verknüpfen. Am wichtigsten ist ihr dabei aber der Umweltaspekt. Maximaler Komfort, minimaler Umwelteinfluss: „Ein Drittel des CO2-Ausstoßes fällt im Gebäudebereich an. Da müssen wir ran, das treibt mich um“, so Scheffler.
Gebäude sollen wandelbar sein
Tanja Scheffler beschäftigt sich vor allem auch mit der Wandelbarkeit von Gebäuden, die flexible Anpassung an den kalten Winter und warmen Sommer, aber auch an veränderte Nutzungsanforderungen. In einem Projekt im vierten Semester an der Hochschule hat sie Ideen entwickelt, wie sich kompakte, aber perfekt mit Tageslicht versorgte Reihenhäuser besser auf den Lebenszyklus der Menschen anpassen lassen. „In so einem Reihenhaus lebt am Anfang ein Paar erst mit einem Kind, dann mit einem zweiten Kind. Irgendwann ziehen die Kinder aus. Das Paar wird älter, braucht vielleicht eine Pflegekraft. Wir sollten Gebäude so konzeptionieren, dass sie wandelbar sind, dass sie sich besser auf die Bedürfnisse der Menschen in unterschiedlichen Lebensphasen anpassen lassen. Auch das Thema Barrierefreiheit spielt dabei eine große Rolle. Wir brauchen intelligente Immobilien.“ Die junge Studentin sieht sich auch in einer großen Verantwortung: „So ein Gebäude hat eine Lebensdauer von etwa 80 Jahren. Das Gebäude wird also immer noch da sein, wenn ich nicht mehr da bin. Was ich tue, hat Auswirkungen auf die nächsten Generationen. Da sollte man sich schon gut überlegen, wie man an die Dinge herangeht. Das geht nur mit integraler Planung.“
Mit ihrem Studium sieht Tanja Scheffler sich sehr gut vorbereitet auf den weiteren Karriereweg. Vor allem die Präsentationen ihrer Projektarbeiten hätten die junge Frau für ihre Aufgaben, bereits jetzt als Werkstudentin, fit gemacht. „Das war oft ganz schön intensiv und hart. Bei den Abgaben musste man dann sein Konzept gut und knackig rüberbringen. Natürlich kamen immer Gegenfragen, zu denen man spontan eine gute Antwort brauchte. Das hat nicht immer gleich gut geklappt“, erzählt Tanja Scheffler lachend. „Aber man hat dabei sehr gut gelernt, mit Stresssituationen umzugehen.“
Die Hochschule – eine große Familie
Sie wird vieles vermissen, wenn sie ihren Abschluss in der Tasche hat und die Hochschule verlässt. Zum Beispiel auch solche Projekte, wie die für das Modular Festival in Augsburg. Dafür hat sie mit ihren Kommilitonen der Studentengruppe E2D-up! Pavillons und Sitzmöbel aus Recycling-Materialien gebaut. „Auch die vielen Exkursionen werde ich in guter Erinnerung behalten. Wir waren zum Beispiel in Amsterdam und Barcelona, um uns Gebäude anzuschauen. Das hat uns sehr viel gebracht, und wir hatten Spaß dabei. Auch die ganze Lebendigkeit auf dem Campus hat mir immer gut gefallen. Die Hochschule ist wie eine große Familie.“